Sehr geehrte Stadtverordnete,
mit diesem offenen Brief möchten wir Sie gewinnen, in der kommenden Stadtverordnetenversammlung einen Bürgerentscheid über das Schicksal des Holzvogtlands zu ermöglichen.
Warum sollten Sie das aus unserer Sicht tun? Was spricht für eine Beteiligung der Bürger/innen der Stadt Reinbek an der Entscheidung über die Bebauung des Holzvogtlands?
1. Tragweite der Entscheidung
Die Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlands (auch nur von Teilen davon) ist eine Entscheidung, die das Stadtbild Reinbeks auf Jahrzehnte verändern wird. Wir sind überzeugt: Die Bebauung des Stahmers Acker wäre DER ausschlaggebende Präzedenzfall, der eine großflächige Bebauung der offenen Fläche zwischen diesen Stadtteilen nach sich ziehen wird. Ihre Entscheidung wirkt sich dabei allerdings nicht nur langfristig auf das Stadtbild aus. Vielmehr sind von Ihrer Entscheidung auch Reinbeks Natur, Verkehr, öffentliche Infrastruktur (z.B. Schulen, Kitas) sowie in besonderem Maß die Bürger/innen Reinbeks betroffen.
2. Fehlende Positionierungsmöglichkeit der Reinbeker Bürger/innen bei der letzten Wahl
Die meisten politischen Parteien Reinbeks haben das Thema Bebauung der Freiflächen zwischen Reinbek und Schönningstedt in den letzten Jahren nicht thematisiert, haben keinen Standpunkt in dieser wichtigen Sache in ihren Wahlprogrammen formuliert oder haben diesen nach der Wahl verändert. Für alles mag es gute Gründe geben. Die Folge ist aber: Die Bürger/innen Reinbeks konnten ihren Willen in dieser Angelegenheit bei den letzten Wahlen nicht zum Ausdruck bringen.
3. Orientierung aus dem Grundgesetz
Das Grundgesetz bietet bei schwierigen Entscheidungen Orientierung. In §20 ist geregelt, dass „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“. Im Grundgesetz ist demnach höchstes Vertrauen in die Entscheidungen von Bürger/innen festgeschrieben. Auch Sie sitzen als gewählte Vertreter/innen in der Stadtverordnetenversammlung, weil es diesen Artikel des Grundgesetzes gibt.
Im §21 des Grundgesetzes heißt es zudem „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ – die Politik entscheidet „mit“, aber eben nicht ausschließlich. Dazwischen steht §20a „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere […]“.
Es wirkt fast so, als ob diese drei Artikel des Grundgesetzes mit ihren zentralen Aussagen für die anstehende Entscheidung formuliert wären. Natürlich hat unsere BI Holzvogtland Zutrauen in eine repräsentative Demokratie, und Sie wurden für politische Entscheidungen von den Reinbekern/innen als Vertreter/innen gewählt. Gleichwohl gilt es zu bedenken: In der Gemeindeordnung und in der Kreisordnung des Landes Schleswig-Holstein ist ausdrücklich die Möglichkeit eines Bürgerentscheids geregelt. Dies führt zu der zentralen Frage:
Wann und bei welchen Entscheidungen ist ein Bürgerentscheid angemessen?
Aus unserer Sicht gilt dies bei einer Entscheidung dieser Tragweite (s. 1.), der fehlenden Einflussmöglichkeit durch die Bürger/innen bei der letzten Wahl hierzu (s. 2.) sowie dem Aspekt, dass sowohl zukünftige Generationen als auch natürliche Lebensgrundlagen und Tiere wesentlich betroffen sind, in besonderem Maße.
4. Nachwirkungen der Entscheidung
Keine Entscheidung steht auf einer festeren Basis als eine, die von Bürger/innen selbst getroffen wurde. Denn Menschen wissen durch die eigene Beteiligung, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Die Akzeptanz einer derartigen Entscheidung ist hoch. Wir alle wissen: Keiner ist unfehlbar, auch Stadtverordnete können irren…
Vertrauen in die Politik kann aber gestärkt werden, wenn Sie als Stadtverordnete die Größe haben, eine große Entscheidung den Bürgern/innen zu übertragen, die sie gewählt haben.
Liebe Stadtverordnete,
nutzen Sie die Chance, die Bürger direkt in Form eines Bürgerentscheids mitwirken zu lassen. Diese weitreichende Entscheidung ist keine parteipolitische Entscheidung, sondern eine persönliche Gewissensentscheidung. Der Name eines jeden einzelnen von Ihnen wird zukünftig mit dieser Entscheidung, die Tragweite für Generationen hat und unumkehrbar ist, verbunden bleiben, sollten Sie eine alleinige Entscheidung treffen.
Wir möchten daher alle Stadtverordneten und alle Fraktionen auffordern, bei einer für Reinbek außergewöhnlichen politischen Entscheidung großer Tragweite Vertrauen in die Urteilskraft der eigenen Bürger/innen zu zeigen, ein Zeichen für die Demokratie zu setzen und diese Entscheidung gemeinsam den Reinbekern/innen zu übertragen.
Christina Nikolova-Kleine und Robert Hartl
im Namen der Bürgerinitiative Holzvogtland