Klimafreundliches Wohnen im Holzvogtland?

Immer wieder ist von den Befürwortern und Planern einer Bebauung des Holzvogtlandes zu lesen, „das Gebiet solle nach ökologischen Gesichtspunkten erschlossen werden“, die fünfgeschossigen Wohngebäude sollten „begrünte Dächer“ haben, die Bewohner würden sich alle auf Lastenfahrrädern durch Reinbek bewegen etc… Kurzum ein rundum ökologisches Konzept – mit dem die Befürworter und Investoren ihre Klimafreundlichkeit unter Beweis stellen wollen.

Ein Aspekt wird dabei jedoch gänzlich außer Acht gelassen: Nicht nur geht bei einer Bebauung des Holzvogtlandes wertvolle Grünfläche verloren, nein, jeder Neubau – egal ob mit grünem Dach oder Wärmepumpe ausgestattet – verursacht bereits durch seinen „Herstellungsprozess“ einen enormen negativen CO2-Fußabdruck.

So ist die Baubranche einer der größten CO2-Emittenten der Welt: Insbesondere Zement, der wichtigste globale Baustoff, ohne den fast kein Neubau auskommt, ist sehr energie- und emissionsintensiv.

Die hohen Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Zement entstehen durch zwei Prozesse[1]:

  1. Der Brennvorgang, bei dem das Ausgangsmaterial Kalkstein zu Zementklinker gebrannt wird, wird bei sehr hohen Temperaturen (1.450 °C) durchgeführt, was zu einem hohen Brennstoffverbrauch und damit zu hohen energiebedingten Emissionen führt.
  2. Eine chemische Reaktion beim Brennen führt zu einer Freisetzung von CO2, weil eine Entsäuerung des Kalksteins stattfindet.

Weltweit werden jährlich über 4,6 Milliarden Tonnen Zement verbaut, dessen Herstellungsprozess rund 2,8 Milliarden Tonnen CO2 verursacht. „Das sind fast acht Prozent der weltweiten Emissionen und damit mehr als Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen.“[2]

Wäre die weltweite Zementindustrie ein Staat, so würde sie – was den CO2-Ausstoss angeht – an dritter Stelle hinter den USA und China liegen.[3] Der globale Zement- und Betonbedarf wird Schätzungen zufolge aufgrund von Urbanisierung und Infrastrukturprojekten bis 2050 im Vergleich zu 2014 sogar noch um 12 bis 23 Prozent steigen.[4] In Deutschland wurden im Jahr 2017 allein durch die deutsche Industrie rund 193 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen, davon sind rund 11% der deutschen Zementproduktion anzulasten.[5] Rund 31% des deutschen Zementverbrauchs sind wiederum auf privaten Wohnungsbau zurückzuführen.

Zementverbrauch in Deutschland nach Verwendungsart
Quelle: WWF: Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie

Somit wird deutlich: Der Neubau auf der grünen Wiese – egal wie grün das dahinterstehende (Energie)Konzept sein mag – hat immer unvermeidbar negative Auswirkungen auf das Klima.

Wer sich tiefergehend mit dem Thema beschäftigen möchte, kann sich das folgende Video hierzu anschauen:

https://www.ardmediathek.de/video/sven-ploegers-klimablick/klimakiller-beton-was-sich-aendern-kann-s01-e08/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEzNDMwNTU


[1] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Klimaschutz_in_der_Beton-_und_Zementindustrie_WEB.pdf

[2] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/26652040.html

[3] https://www.chemietechnik.de/energie-utilities/klimabilanz-der-zementindustrie-372.html

[4] https://www.energiezukunft.eu/bauen/zementproduktion-kann-klimafreundlicher-werden/

[5] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Klimaschutz_in_der_Beton-_und_Zementindustrie_WEB.pdf

Externer Faktencheck

Unter der Überschrift „Ist dem Bürger das Begehren zu verwehren?“ haben die Macher des Blogs „Zukunft!Reinbek“ viele Fragen aus den Diskussionen über das Schicksal des Holzvogtlands aufgegriffen und faktenbasiert beantwortet. Wer schon immer wissen wollte, ob „Bewahrer eines Stadtbilds Zukunftsverweigerer“ sind (Nein), warum es sozial ist, gegen eine Bebauung zu stimmen oder ob die BI Holzvogtland „frech“ ist, findet im Blog die richtigen Antworten auf die entsprechenden Fragen.

Hier geht es zum Artikel:

Großsiedlung im Holzvogtland überfordert Reinbeks Kita- und Schulinfrastruktur

Wer behauptet, das Holzvogtland eigene sich wegen der vorhandenen sozialen Infrastruktur besonders gut als Standort einer neuen Großsiedlung in Reinbek, und dabei auf die Kindergärten, die Grundschule Schönningstedt und das Schulzentrum in der Nähe verweist, kennt Reinbek nicht. Jede Großsiedlung hat zur Folge, dass in ihrer unmittelbaren Umgebung insbesondere der Bedarf an Kita- und Grundschulplätzen schlagartig zunimmt. Anders ist dies, wenn neuer Wohnraum für Familien mit Kindern dezentral geschaffen wird, weil sich dann auch die Nachfrage nach Kita- und Schulplätzen entsprechend über das gesamte Stadtgebiet verteilt.
Aktuell bereits ist die Versorgung der Reinbeker Kinder und Jugendlichen mit Kita- und Schulplätzen mehr als angespannt:
In Reinbek leben derzeit etwa 1.500 Kinder im sog. Kindergartenalter, für die aber nur 1.150 Betreuungsplätze zur Verfügung stehen, einschließlich der Plätze im Hort und bei Tagesmüttern. Besonders eklatant ist der Mangel im Bereich der Kinder unter drei Jahren, wo derzeit alleine 61 Betreuungsplätze fehlen. Die Stadtverwaltung fordert daher von den Politikerinnen und Politikern kurzfristig den Bau einer neuen „mindestens viergruppigen Kindertagesstätte“ (siehe Vorlage 2022/50/008) und verweist darauf, dass der Bedarf weiter steigen wird.
Die Grundschule Schönningstedt platzt bereits jetzt aus allen Nähten. Ging man vor einigen Jahren davon aus, dass die Grundschule Schönningstedt langfristig 1,5-zügig sein würde, ist jetzt klar, dass diese Schule ab kommendem Schuljahr zweizügig sein wird. Entsprechend wächst der Raumbedarf, weshalb die Stadtverwaltung die Stadtverordnetenversammlung auffordert, bereits zum Sommer 2022 einer räumlichen Erweiterung der Schule zuzustimmen. (siehe Vorlage 2022/50/007) Auch hier wird von einer weiter ansteigenden Nachfrage ausgegangen.
Die Situation in den weiterführenden Schulen ist nicht entspannter: Das neue Schulzentrum, Standort der Gemeinschaftsschule und der Amalie-Sieveking-Schule, stößt bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenzen. Die Sachsenwaldschule leidet seit Jahren unter Raummangel, der sich mit der Rückkehr zum 9-jährigen Bildungsgang noch verschärft. Seitens der Stadtverwaltung wird daher von der Politik gefordert, das derzeitige Volkshochschulgebäude in Gänze der Sachsenwaldschule zur Verfügung zu stellen. (siehe Vorlage 2022/BM/001)
Die Bildungseinrichtungen in Reinbek arbeiten – räumlich betrachtet – derzeit alle am Limit. Wer der Schaffung einer Großsiedlung auf dem Holzvogtland das Wort redet, kennt ganz offensichtlich die Situation in unserer Stadt nicht. Und selbst wenn jetzt der Bau einer weiteren Kita beschlossen werden sollte, wie sie auch ein an der Errichtung einer Großsiedlung auf dem Holzvogtland interessierter Investor in Aussicht stellt, wäre dies nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein – zumal völlig unklar ist, woher die benötigten Erzieherinnen und Erzieher eigentlich kommen sollen.

Stimmen Sie DARUM mit “JA” am 8. Mai!

Liebe Reinbekerinnen und Reinbeker,
wir haben in sehr kurzer Zeit die erforderlichen Unterschriften für einen Bürgerentscheid zum Erhalt des Holzvogtlandes gesammelt. Ein Zeichen, dass dieses Thema viele Reinbekerinnen und Reinbeker bewegt.
Die nachfolgenden Themenblöcke sollen Ihnen unsere Sichtweise erklären und Sie bestärken, die Frage zum Bürgerentscheid mit „JA“ zu beantworten.

Bürgerentscheid als Auftakt gelebter Demokratie

Im Juni 2021 lehnten die Reinbeker Stadtverordneten einen Bürgerentscheid über die Zukunft des Holzvogtlandes mit großer Mehrheit ab. Wenn es jetzt doch zu einem Bürgerentscheid kommt, so ist es darauf zurückzuführen, dass über 3.100 Bürgerinnen und Bürger dies durch ein erfolgreiches Bürgerbegehren erzwungen haben. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für unsere Stadt generell nicht nur von einigen wenigen Stadtverordneten, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern auf der Grundlage einer breiten, intensiven öffentlichen Debatte entschieden werden. Auch erwarten wir, dass die Politik ein derartiges Votum über die Geltungszeit hinaus respektieren. Die jetzt von den Parteien geäußerte Zustimmung ist nur dann glaubwürdig, wenn auch künftige Grundsatzentscheidungen über die Entwicklung unserer Stadt unter breiter Beteiligung aller Reinbekerinnen und Reinbeker getroffen werden.

Stadtentwicklungskonzept erforderlich!
Deutlich wird: Reinbek muss selbst definieren, wohin es sich entwickeln will.
Wieviel Wachstum möchte/verkraftet Reinbek noch?
Welche Wohnraumbedarfe gibt es in der Reinbeker Bevölkerung? Wie kann man diese Bedarfe erfüllen?
Hierfür benötigt Reinbek ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Die Erfahrungen lehren, ein investorengetriebenes Bauen löst die Probleme nicht!

Wohnungsmarkt-Monitoring aussagekräftig?
Wenn als Begründung für massiven Wohnungsbaubedarf das Wohnungsmarkt-Monitoring des GEWOS-Instituts angeführt wird, welches sich auf einen Prognosezeitraum bis zum Jahre 2035 bezieht, ist anzumerken, dass GEWOS Teil eines der größten deutschen Stadtentwicklungsunterneh- men (DSK BIG) ist.

Großsiedlung auf dem Holzvogtland überfordert Reinbeker Kita- und Schullandschaft
Die Errichtung einer Großsiedlung auf dem Holzvogtland würde Reinbeks soziale Infrastruktur massiv belasten. Bereits jetzt arbeiten Reinbeks Bildungseinrichtungen räumlich am Limit. Für die etwa 1.500 Kinder im Kindergartenalter stehen nur 1.150 Betreuungsplätze zur Verfügung; allein bei den Kindern unter drei Jahren fehlen derzeit 61 Betreuungsplätze. Die Grundschule Schönningstedt, erst vor zwei Jahren aufwendig erweitert, muss bereits wieder angebaut werden, um zum Schuljahr 2022/23 zusätzliche Kinder aufnehmen zu können. Auch an den anderen Grundschulen ist die Lage angespannt. Das neue Schulzentrum stößt schon jetzt an seine Kapazitätsgrenzen. Die Sachsenwaldschule leidet seit Jahren unter Raummangel und wird, um die Rückkehr zum 9-jährigen Bildungsgang räumlich bewältigen zu können, das VHS-Gebäude übernehmen.
Abgesehen von den hohen Kosten, die der Stadt bei Neubauten entstehen würden, bleibt unklar, woher die benötigten pädagogischen Kräfte kommen sollen.

Neubaugebiete – eine Lösung für „bezahlbaren Wohnraum“?

Immer wieder ist in der politischen Diskussion in Reinbek zu hören: „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum.“ Jeder hat hierfür eine eigene Definition. Wenn also Politiker oder Investoren davon sprechen, „bezahlbaren Wohnraum“ schaffen zu wollen, so muss sich deren Vorhaben nicht mit Ihren Erwartungen decken.
Auch die BI Holzvogtland stellt nicht in Abrede, dass in Reinbek mehr öffentlich geförderter Wohnraum und Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen geschaffen werden muss.
Ein Neubaugebiet auf der grünen Wiese ist hierfür jedoch aus zwei Gründen der falsche Weg. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Reinbeker Politik die Bedarfe mittels Neubaugebieten nicht deckt.

1. Reinbek hat sich gemäß der „Leitlinie Strategie Wohnen“ des Mittelzentrums verpflichtet, bei jeder Ausweisung von Wohnbauflächen einen Anteil von 30% öffentlich geförderter Wohnungen vorzusehen. Dieser Verpflichtung ist die Reinbeker Politik jedoch bei keinem der letzten Neubaugebiete nachgekommen. Beispielhaft wird dies für das Gebiet „Schröders Koppel“ deutlich:

2. Die Erfahrungen mit den Neubaugebieten der letzten Jahre zeigen, dass der neu geschaffene Wohnraum im Wesentlichen zuziehenden Neubürgern zugutekommt, nicht – wie immer wieder behauptet – den Reinbekern, die günstigen Wohnraum suchen:

Dem Versprechen, „bezahlbaren Wohnraum“ für Reinbeker zu schaffen, wird durch Neubaugebiete nur bedingt entsprochen.

Großsiedlung auf dem Holzvogtland überfordert Verkehrsinfrastruktur
In Reinbek gibt es 13.374 Wohneinheiten (Statistikamt Nord) und laut Kraftfahrtbundesamt 16.078 privat genutzte Personenkraftwagen. Dies entspricht statistisch 1,2 PKW pro Haushalt.
Es ist also davon auszugehen, dass sich dieser Trend bei einer Bebauung im Holzvogtland fortsetzt und die Verkehrsinfrastruktur zusätzlich belastet wird, unabhängig von der Antriebsart der PKW.
Zu erwarten ist, dass in das Wohngebiet überwiegend jüngere Berufstätige einziehen würden, die in der Regel über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügen. Der Fahrzeugbestand wird sich also vermutlich deutlich erhöhen.
Die Schönningstedter Straße ist eine zentrale Verkehrsader der Stadt. Insbesondere in den Kreuzungsbereichen Wohltorfer Straße und Sachsenwaldstraße ist in Folge einer Bebauung mit einem deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen und zusätzlichen Staus mit Belastungen für Verkehrsteilnehmer, Anwohner und Rettungsdienste zu rechnen.

Das Holzvogtland
unverzichtbar für den Umwelt- und Klimaschutz in Reinbek

Das Holzvogtland erfüllt wichtige Funktionen für den Umwelt- und Klimaschutz, von denen alle Einwohner Reinbeks unmittelbar profitieren. Insbesondere für ein ausgeglichenes Mikroklima ist das Holzvogtland durch die Abmilderung von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Sturm und Starkregen bedeutsam. Die Freiflächen haben insbesondere folgende wichtige Funktionen:

  • Sie dienen als Versickerungsflächen bei Starkregen. (Kräftige Gewitter mit Starkregen hat es in Reinbek in den letzten Jahren zunehmend gegeben)
  • Die Flächen bieten Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, ermöglichen die artentypischen Wanderungen sowie die Vernetzung benachbarter Biotope.
  • Unversiegelte Böden binden die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas.
  • Unversiegelte Böden speichern Wasser. Ein ausgeglichener Bodenwasserhaushalt sorgt durch Verdunstung auch für Kühlung der Umgebung.
  • Das Holzvogtland ist von Knicks durchzogen, die als Lebensraum und Nahrungsquelle gerade für heimische Insekten und Vögel besonders wichtig sind.
  • Die Ressource Boden ist auch in Reinbek begrenzt und nicht vermehrbar. Ein behutsamer und sparsamer Umgang ist zwingend erforderlich, auch um das landesweite Ziel der Begrenzung des Flächenverbrauchs auf 1,3ha/Tag zu unterstützen.

Reinbek – statt im Grünen?

Reinbek wirbt für sich mit dem Slogan „Reinbek – die Stadt im Grünen“. Und fragt man die Reinbekerinnen und Reinbeker, was aus ihrer Sicht die Lebensqualität unserer Stadt ausmacht, dann wird sehr schnell auf die zahlreichen Grün- und Ackerflächen verwiesen, die das Reinbeker Landschaftsbild bestimmen. Prägend für Reinbek sind die ausgedehnten Freiflächen zwischen den sechs Stadtteilen, die zu Spaziergängen und zum Radfahren einladen. Eine Großsiedlung auf dem Holzvogtland mit bis zu fünfstöckigen Wohnblöcken – so eine aktuelle Planung – würde den Charakter Reinbeks grundsätzlich verändern. Nicht nur würden Grün- und Ackerflächen durch Asphalt und Be-ton ersetzt, auch ginge der zwischen den Stadtteilen Prahlsdorf und Schönningstedt liegende Naturraum unwiederbringlich verloren. Wer Reinbeks Charakter als beschauliche Stadt im Grünen und damit die Lebensqualität unserer Stadt bewahren möchte, muss für den Erhalt des Holzvogtlands als Freifläche eintreten und am 08.Mai 2022 mit „JA“ stimmen.

Faktencheck zur Bauausschusssitzung am 15.06.2021

In der Kommunalpolitischen Fragestunde der Bauausschusssitzung am 15.06.2021 wandte sich die BI-Holzvogtland mit den folgenden Fragen an die Fraktionen:

Frage 1:

Stimmen Sie in der heutigen Sitzung und grundsätzlich FÜR oder GEGEN einen Bürgerentscheid zur Bebauung des Holzvogtlandes?

Frage 2:

Welche Gründe veranlassen Sie, FÜR oder GEGEN einen Bürgerentscheid zur Bebauung des Holzvogtlandes zu sein?

Der Ausschussvorsitzende verwies darauf, dass diese Fragen nicht im Rahmen der kommunalpolitischen Fragestunde (TOP 2) beantwortet werden könnten, da die Diskussion hierzu erst noch im Laufe der Sitzung abgehalten würde (TOP 5-7).

Während der Sitzung hat lediglich die Fraktion der Grünen hierzu eine Stellungnahme abgegeben. Die FDP-Fraktion hat sich bereits im Vorfeld zu diesen Fragestellungen öffentlich positioniert. Alle anderen Fraktionen äußerten sich nicht.

Wir haben die Fraktionen nun gebeten, diese Fragen schriftlich bis 30.06.2021 zu beantworten, damit wir ihre Antworten auf unserer Webseite veröffentlichen können.

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Im Folgenden einige Eindrücke und Statements aus der Diskussion der Fraktionen im Bauausschuss vom 15.06.2021 samt Faktencheck:

„In Reinbek sterben mehr Leute als dass Kinder geboren werden, wir sind also unweigerlich auf Zuzug angewiesen.“

Laut dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein lag die Geburtenzahl für Reinbek im Jahr 2019 bei 214 Geburten, während 308 Leute verstorben sind. Hieraus ergibt sich ein negativer natürlicher Bevölkerungssaldo in Höhe von -94.[1] Seit dem Jahr 2000 gab es nur zweimal (!) einen positiven natürlichen Bevölkerungssaldo, nämlich im Jahr 2004 und im Jahr 2006.[2]

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„Die obige Aussage ist falsch, man muss auch mal bei den Fakten bleiben. Es gibt nämlich mehr Zuzug in Reinbek als Leute sterben.“

Im Jahr 2019 gab es laut dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2.051 Zuzüge nach Reinbek und 1.649 Wegzüge. Der Wanderungssaldo betrug 2019 also +402 Einwohner.[3]  Diese Entwicklung lässt sich auch für die vergangenen Jahre feststellen. Es ist korrekt, dass es eine positive Bevölkerungsentwicklung in Reinbek gibt, weil mehr Leute nach Reinbek ziehen als versterben. Das ist jedoch anders als suggeriert kein Widerspruch zu obiger Aussage, sondern untermauert diese vielmehr noch. Es zeigt aber, dass die nun folgende Aussage falsch ist.

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„Wir können uns nicht wie ein kleines gallisches Dorf abschotten, einen Zaun um uns herumbauen und keinen Zuzug nach Reinbek ermöglichen.“

Die Einwohnerzahl Reinbeks ist laut Webseite der Stadt seit dem Jahr 2000 zum Stichtag 31.12.2020 um 13% gestiegen. So schreibt die Stadtverwaltung: Am 31.12.2020 hatte Reinbek rund 28.200 Einwohner*innen. Das sind etwa 13% mehr als zur Jahrtausendwende.“ [4]

Auch die Reinbeker SPD schreibt auf ihrer Webseite: „Sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozent fand sich Reinbek 2018 unter den fünf Städten mit dem größten Bevölkerungswachstum im Land.“ [5]

Es ist also falsch, dass kein Zuzug nach Reinbek erfolgt. Denn die Geburtenrate in Reinbek ist deutlich geringer als die Sterberate und somit beruht das Wachstum auf Zuzug.

Wenn man sich gegen die Bebauung des Holzvogtlandes ausspricht, bedeutet dies nicht, dass man grundsätzlich gegen Zuzug ist, sich abschotten möchte und alles so belassen möchte, wie es ist. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren bereits stark gestiegenen Einwohnerzahl werden von unserer Bürgerinitiative nur andere Ziele und Schwerpunkte in der Stadtentwicklung als sinnvoll erachtet und ganzheitlich nachhaltig durchdachte Lösungen bevorzugt.

Übrigens: Im Vergleich dazu hat Hamburg seine Einwohnerzahl von 1.715.392 Einwohnern im Jahr 2000[6] auf 1.847.253 Einwohner im Jahr 2019 gesteigert, was einem Prozentsatz von rund 7,7% entspricht. Nach neuesten Erkenntnissen verlangsamt sich der Anstieg der Bevölkerungszahlen in Hamburg mittlerweile sogar.[7]

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„Ungefähr 9.000 Menschen pendeln täglich zum Arbeiten nach Reinbek. Mit der Bebauung des Holzvogtlandes könnten viele Reinbeker Arbeitnehmer hierherziehen, wodurch sich die Pendelei verringern würde. Das hätte einen positiven Einfluss auf das Klima.“

Laut Pendleratlas[8] setzt sich die Pendlerzahl für Reinbek wie folgt zusammen:

  • 8.983 Einpendler (Wohnort außerhalb Reinbeks, Arbeitsort Reinbek)
  • 8.725 Auspendler (Wohnort Reinbek, Arbeitsort außerhalb Reinbeks)
  • 1.639 Binnenpendler (Wohn- und Arbeitsort ist Reinbek)

Die Zahl ist also zutreffend, allerdings ist die Schlussfolgerung daraus nicht begründet. Es sind folgende Argumente diesbezüglich in Betracht zu ziehen:

  • Viele Pendler können auch aus umliegenden Gemeinden (Wentorf, Glinde, Bergedorf etc.) kommen und haben gar kein Interesse nach Reinbek zu ziehen (z.B. pendeln auch etliche Verwaltungsmitarbeiter der Stadt Reinbek aus Nachbargemeinden). Die Wohltorfer und Aumühler werden sicherlich zum Großteil nicht in ihrer Heimatgemeinde ihren Arbeitsplatz haben.
  • Zieht eine Familie aus Hamburg nach Reinbek, weil einer der Partner in Reinbek arbeitet, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass nun der andere Ehepartner aus Reinbek nach Hamburg pendeln muss. Es ist möglich, doch vermutlich eher selten, dass beide in Reinbek ihren Arbeitsplatz haben.
  • Es möchte gar nicht jeder Arbeitnehmer am Ort seines Arbeitsplatzes wohnen, ansonsten wäre die Zahl der Binnenpendler sicherlich bereits aktuell höher.

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„Der Grundsatzbeschluss der Grünen zum Holzvogtland ist sinnvoller als ein Bürgerentscheid, weil er langfristiger orientiert ist als ein Bürgerentscheid, der nur für zwei Jahre Gültigkeit besitzt. Langfristig bedeutet hierbei mindestens bis zur nächsten Legislaturperiode, in der sich Mehrheiten ändern könnten.“

Es ist richtig, dass ein Bürgerentscheid für zwei Jahre gültig ist, er kann zudem auch alle zwei Jahre wiederholt und erneuert werden.

Im Gegensatz dazu kann der sogenannte „Grundsatzbeschluss“ der Grünen (es bei der Bebauung des Stahmers Acker zu belassen) jederzeit durch die Stadtverordnetenversammlung wieder rückgängig gemacht werden, theoretisch auch schon in der nächsten Sitzung, also monatlich. Was passiert und ob sich Mehrheiten ändern, nachdem die Bebauung des Stahmers Acker beschlossen ist, kann nicht vorhergesagt werden.

Auch der Zeithorizont bis zur nächsten Legislaturperiode ist eher überschaubar: Die nächste Kommunalwahl findet im Frühjahr 2023 statt. Würde man einen Bürgerentscheid im September 2021 durchführen, so hätte er eine Gültigkeit bis Herbst 2023.

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Weitere interessante Aussagen:

„Es gibt einen neuen Eigentümer für das Feld zwischen Edeka und der Schönningstedter Straße.“

Anmerkung: Damit ist offenbar der Teil des Holzvogtlandes gegenüber dem Bismarck Seniorenstift, der direkt an die Schönningstedter Straße angrenzt, gemeint.

Ein Faktencheck ist uns hierfür leider nicht möglich. Fakt ist jedoch, dass diese Tatsache viele Fragen, insbesondere hinsichtlich des „Grundsatzbeschlusses“ zur Bebauung des Holzvogtlandes, aufwerfen würde.


[1] Statistikamt Nord: Meine Region – Datenanzeige für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[2] Statistikamt Nord: Meine Region – Zeitreihe für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[3] Statistikamt Nord: Meine Region – Zeitreihe für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[4] Die Stadt im Grünen – Zahlen | Daten | Fakten (reinbek.de)

[5] Die Debatte um das Holzvogtland – Mehr Chance als Risiko › SPD Reinbek (spd-reinbek.de)

[6] Einwohnerzahl in Hamburg bis 2019 | Statista

[7] Bevölkerung in Hamburg 2019 – Statistikamt Nord (statistik-nord.de)

[8] Reinbek | Pendleratlas