Holzvogtland weckt neue Begehrlichkeiten – Bauinvestor plant neues Großprojekt

Die Katze ist aus dem Sack: Was bereits in den vergangenen Monaten durch die politischen Ausschüsse Reinbeks waberte, ist nun offiziell. Das Bismarck Seniorenstift möchte ein 10 Hektar großes Grundstück im Holzvogtland für seine Erweiterung (eher Verdopplung) nutzen. Offenbar reicht eine Interessentenliste von 20 Personen, um den Bedarf für einen Großkomplex mit 120 Plätzen im stationären Bereich und 60 Wohnungen zu begründen. Welche Anstrengungen unternommen wurden, eine Erweiterung zu realisieren, die nicht die Versiegelung von 10 Hektar Naturraum erfordert, ist bislang nicht bekannt.  Aber natürlich soll „die Sache im Zusammenspiel mit Verwaltung, Politik und den Bürgern behutsam [!] entwickelt“[1] werden.

Wie passend: Am kommenden Dienstag wird die Verwaltung im Rahmen des Berichtswesens unter TOP 4.7 im Bau- und Planungsausschuss über den rechtlichen Status der Holzvogtland-Fläche berichten. Die letzte Stadtverordnetenversammlung hatte mehrheitlich für einen von B90/Grüne eingebrachten Beschlussantrag votiert, den das Hamburger Abendblatt mit „Ein Teil darf bebaut werden, wenn der Rest frei bleibt – und der Investor etwas der Stadt abtritt“[2] zusammenfasste. Laut Aussage der Verwaltung sind die rechtlichen Möglichkeiten, das “restliche” Holzvogtland im Sinne des von B90/Grüne initiierten Beschlusses zu schützen, bereits ausgereizt.

Auffallend ist, dass die genannte Stadtverordnetenversammlung bereits geprägt war durch Aussagen wie „Wenn beispielsweise eine Senioreneinrichtung bauen will, dann muss diese natürlich weniger Fläche an die Stadt abgeben“.

Somit dürfte nun jedem klar sein: Es geht nicht nur – wie immer wieder suggeriert – um einen kleinen Teil des Holzvogtlands. Es geht um das gesamte Holzvogtland!

Ein Projekt dieser Größenordnung wird jedoch Auswirkungen auf ganz Reinbek nach sich ziehen. Wir sind jetzt schon gespannt, wann der nächste Investor seinen Baubedarf im Holzvogtland öffentlich macht. 


[1] https://www.abendblatt.de/region/stormarn/article233043391/Bismarck-Seniorenstift-will-in-Reinbek-wachsen.html

[2] https://www.abendblatt.de/region/stormarn/reinbek/article232555405/Kompromiss-im-Streit-um-das-Holzvogtland-in-Reinbek.html

Das Holzvogtland im Stadtleitbild

„Die Reinbeker Stadtverordnetenversammlung hat am 29. Juni 2006 das Stadtleitbild beschlossen, als Wegweiser für die Zukunft und Leitlinie für Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt.“  So steht es in den vom Hauptausschuss der Stadt Reinbek beschlossenen „Grundsätzen für die Beteiligung von Reinbekerinnen/Reinbekern an der Konkretisierung des Stadtleitbildes.“[1] Weiter heißt es: „Stadtentwicklung soll als Gemeinschaftswerk von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft vollzogen werden.“  

Das Stadtleitbild ist also eine Übereinkunft zwischen Reinbeker Verwaltung, Reinbeker Politik und Einwohnerinnen/Einwohnern der Stadt Reinbek über die zukünftige Entwicklung und Gestaltung ihrer Stadt. Die Beteiligung der in Reinbek Lebenden an den Inhalten des Stadtleitbildes war ausdrücklich erwünscht: So wird im zweiten Grundsatz des oben genannten Dokumentes explizit darauf verwiesen, dass die Beteiligung von Reinbekern am Stadtleitbild eine „wichtige Ergänzung zum Expertenwissen von Planern und einer spezialisierten Verwaltung“ sei, da „Bürgerwissen einen Beitrag zur Qualitätsverbesserung und zu einer ganzheitlichen Sicht von Planung leiste“.

Der dritte Grundsatz verweist auf einen „gleich berechtigten und verantwortungsbewussten Umgang miteinander“ und fordert „transparente Entscheidungsprozesse und Informationsvermittlung“. Alle Seiten sollten sich somit an die Einhaltung der Grundsätze gebunden und dem gemeinsam erarbeiteten Stadtleitbild verpflichtet fühlen, und es sollte keine einseitige Aufkündigung dieser Übereinkunft erfolgen.

Das Stadtleitbild wurde seit 2006 mehrfach aktualisiert, so dass auch neue Trends und Entwicklungen (z.B. gesellschaftlicher oder demographischer Art) bereits Berücksichtigung gefunden haben.

Das Stadtleitbild[2] soll laut Selbstdefinition „bei allen anstehenden Entscheidungen als Handlungsleitfaden“ beachtet werden (vgl. S. 2).

Daraus ergeben sich in Bezug auf den Gedanken einer Bebauung des Holzvogtlandes einige wichtige Rahmenbedingungen:

Das Stadtleitbild betont: „Reinbeks Charme, Eigenart und Stadtstruktur besteht in einer Stadtteilstruktur mit viel Freiraum und das soll auch so bleiben!“ (vgl. S. 7).

Verwaltung, Politik und Einwohner sind demnach übereingekommen, dass die weitverzweigte Stadtteilstruktur mit separaten, durch Grünzüge voneinander getrennten Stadtteilen so erhalten bleiben soll, weil sie einen besonderen Vorzug der Stadt darstellt und die Attraktivität Reinbeks ausmacht.

Um diese Stadtteilstruktur mit weitläufigen Grünflächen zwischen den Stadtteilen zu erhalten, gibt es klare Vorgaben für Flächenentwicklungen:

Oberste Priorität hat hierbei der Satz: „Die Innenentwicklung hat Priorität vor Neuausweisungen.“  (vgl. S. 7, Nr. 1). Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten, bestehende Baulücken in der Stadt zu nutzen, alte Gewerbeflächen umzuwandeln und Nachverdichtung zu ermöglichen, vollständig geprüft und ausgeschöpft sein müssen, bevor Reinbeks Grün- oder Ackerflächen überbaut und verdichtet werden dürfen.

Wenn doch einmal neue Flächen versiegelt werden sollten, dann macht das Stadtleitbild hierfür klare Vorgaben: Neuausweisungen sind auf „die im derzeit gültigen Flächennutzungs- und Landschaftsplan ausgewiesenen und dargestellten Entwicklungsflächen“ zu beschränken (vgl. S. 7, Nr. 3).

Das Holzvogtland wird im Stadtleitbild als eine solche Entwicklungsfläche bezeichnet:

„Die Freiflächen zwischen Schönningstedt und Alt-Reinbek werden als Entwicklungs- und Zukunftsoption verstanden und gesichert. Über ihre bauliche Nutzung und die Art der Nutzung wird entschieden, wenn dafür ein nachgewiesener Bedarf erkannt wird“ (vgl. S. 7, Nr. 4).

Das Holzvogtland kann laut Stadtleitbild also grundsätzlich überbaut werden. Die Bebauung ist allerdings an eine konkrete Bedingung geknüpft: Es muss ein Bedarf hierfür nachgewiesen werden!

Bislang gibt es von den Parteien oder der Reinbeker Verwaltung keine Erläuterungen oder gar einen Nachweis hinsichtlich des im Stadtleitbild verbindlich festgeschriebenen Bedarfs.

Um einen Bedarf festzustellen, müsste erst einmal ein konkretes Ziel benannt und kommuniziert werden! Gibt es denn überhaupt ein solches Ziel, welches die Reinbeker Parteien und die Reinbeker Verwaltung im Sinne der vom Hauptausschuss verabschiedeten Beteiligungsgrundsätzen gemeinsam mit den Reinbekerinnen und Reinbekern definiert haben und gemeinsam erreichen möchten?

Wie lautet das Ziel, was Reinbek mit der Schaffung von Wohnraum im Allgemeinen und der Bebauung des Holzvogtlandes im Konkreten erreichen möchte?

  • Soll eine bestimmte Einwohnerzahl erreicht werden?
  • Soll allen, die in Reinbek auf der Liste der Wohnungssuchenden stehen, eine neue Wohnung geboten werden?
  • Soll für wohnungssuchende Hamburger ein neues Zuhause in Reinbek geschaffen werden?
  • Soll ein Mietpreis von 5€/qm, von 10€/qm, von 30€/qm für alle Reinbeker Mieter ermöglicht werden?
  • ???

Unklar! Weder die Reinbeker Verwaltung noch die politischen Parteien der Stadt Reinbek haben ein klares Ziel formuliert und öffentlich benannt! Ohne Ziel ist es jedoch unmöglich festzustellen, wie groß ein Gesamtbedarf ist, ob überhaupt ein Bedarf (für die ausgegebene Zielgröße) besteht, ob das Ziel längst erreicht wurde und wann der Bedarf für die gemeinsam definierte Zielgröße schließlich erschöpft ist.

Bevor also die Versiegelung des Holzvogtlandes überhaupt diskutiert wird, muss im Sinne des Stadtleitbildes erst einmal ein gemeinsames Ziel gefunden und auch im Sinne des oben benannten dritten Grundsatzes („gleichberechtigter Umgang“, „transparente Entscheidungsprozesse“ und „Informationsvermittlung“) öffentlich (!) diskutiert und kommuniziert werden!

Sollte das festgelegte Ziel dann bestätigen, dass ein zusätzlicher Bedarf für Wohnraum in Reinbek besteht, müsste gemäß der im Stadtleitbild festgelegten Maxime „Innenverdichtung hat Priorität vor Neuausweisungen“ nachgewiesen werden, dass dieser Bedarf nicht in bestehenden Gebieten erfüllt werden kann, sondern dass die Neuversiegelung von Flächen unumgänglich ist.

Diese beiden Schritte sind zwingend einzuhalten – ansonsten muss man feststellen, dass Reinbeks Verwaltung und Politik das gemeinsame Stadtleitbild gegenüber den Einwohnerinnen und Einwohnern ihrer Stadt einseitig aufgekündigt haben. Der Satz „Größte Bedeutung für die Kraft, die dieses Leitbild entfalten kann, hat seine politische und öffentliche Akzeptanz“ (vgl. S.1) wäre dann hinfällig und die Glaubwürdigkeit der politisch Handelnden dahin!


[1] 2006_Grundsaetze_fuer_Beteiligung_Leitbild.pdf (reinbek.de)

[2] Stadtleitbild Reinbek

Na dann, guten Appetit !

Leserbrief (an ,,Den Reinbeker”, in gekürzter Fassung am 2.8.2021 unter der Überschrift “Es wird Reinbek das Genick brechen!” erschienen)

Betr.: Reinbek: Holzvogtland und Steinerei sollen grün bleiben
erschienen im HA 29.05.2021

Verzeihen Sie bitte, sehr geehrte Politiker der Stadt Reinbek im –noch-Grünen, dass ich Sie schon wieder belästigen muss- aber dieses ganze Gerede, um die Bebauung des Holzvogtlandes, verursacht in meinem Kopf so langsam …

Soll uns Bürgern nun das Bauvorhaben „Quartier Kampsredder“ als Delikatesshäppchen angeboten werden? Häppchen sind ja bekanntlich kleine Stückchen, die gut verdaulich sind und man merkt es nicht so schnell, sollte man zu viel gegessen haben und plötzlich ist der Teller doch tatsächlich leer und niemand will es gewesen sein.
Ups ! Es waren doch nur schlappe 5,3ha Ackerland, leicht verdaulich, die da betoniert wurden. Gegen das bisschen Bauchweh, sollten dann die Worte helfen: „ Dafür bleibt das restliche Holzvogtland langfristig unbebaut.“
Was auch immer LANGFRISTIG bedeutet- in der heutigen Zeit wohl NIX-wenn wieder ein hungriger Investor an der Amts Tür klopft. Und die stehen schon für das restliche Holzvogtland Schlange und warten nur auf ein Go! Ich muss die Herren Politiker und Investoren leider enttäuschen, so einfach esse ich die Häppchen nicht, denn ihre Häppchen entwickeln sich in meinem Hals zu ungenießbaren Brocken, die ich nicht einfach runterschlucken werde. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber es muss wohl sein: Reinbek verträgt eine derartig große Bebauung nicht mehr. Es wird Reinbek das Genick brechen und somit auch zum Verkehrskollaps führen.
Seien Sie doch bitte mal ehrlich, ganz wohl ist Ihnen bei dieser Vorgehensweise nicht und ein bisschen schlechtes Gewissen gegenüber Reinbeks –Ökosystem haben Sie doch auch, oder? Da hilft Ihnen das Argument, Reinbek benötigt bezahlbaren Wohnraum, nicht wirklich.
Warum hat Reinbek angeblich so wenige Sozialwohnungen? Verkauft die Stadt etwa ihre Wohnkomplexe gerne dann, wenn kostenintensive Sanierungsarbeiten anstehen? Jeder Hauseigentümer bildet dafür doch eigentlich Rücklagen und was macht die Stadt? Lieber weg damit, warten bis ein Investor auftaucht und hoffen, dass ein paar Wohnungen für die Stadt abfallen. Oder wie läuft das? Im Fall „Quartier Kampsredder“ bedeutet das, bei insgesamt 250 Wohn – einheiten, etwa 50 Sozialwohnungen oder gar weniger, weil ja schon die Kita gesponsert werden soll. Auch wenn der Investor nun Auflagen von der Stadt erhält, Fläche für die Allgemeinheit abzugeben, aber zu viel darf man da wohl auch nicht erwarten, denn laut Krieger „Es ist klar, dass wir mit unserem Projekt auch Geld verdienen wollen, aber hier etwas Tolles entsteht.“ So „toll“ wie Schröders Koppel ?? Wo viele Anwohner nun ihre Fahrzeuge im Oher Weg parken, obwohl es ja genügend Tiefgaragenplätze gibt? Bezahlbarer Raum ? Sorry, für meine Süffisanz.
Ein schlechter Deal, wenn Sie mich fragen- aber mich fragen Sie ja nicht. Ich soll nur schön die Häppchen schlucken und still sein. Mir fällt es aber sehr schwer still zu sein, wenn es um unser aller Lebensraum geht. Die aktuellen Ereignisse in NRW zeigen uns doch ganz eindeutig, das großflächige Bodenversiegelungen im Zeitalter von Klimawandel und die damit verbundenen extremen Wetterereignisse nicht zu verantworten sind! Ackerflächen- und Wiesen werden wir in Zukunft mehr denn Je als Wasserspeicher benötigen. Ansonsten stehen auch wir Reinbeker bald mit nassen Füßen in unseren Wohnungen.
Und dann ? Dann will es mal wieder keiner gewesen sein! Und wir Bürger stehen da, allein gelassen vor dem Trümmerhaufen und dürfen zu sehen, wie wir damit klar kommen. Das will ich nicht!
Unsere Gesellschaft spricht von Klimaschutz-Ökosysteme-Biodiversität – aber keiner geht hin? Haben Sie doch jetzt endlich den Mut und gehen Sie da mal hin! Was nützen uns die vielen betonierten Wohnquartiere, wenn unsere Kinder bald keine Luft mehr zum Atmen haben? Übernehmen sie endlich Verantwortung und senken Sie den Flächenverbrauch, aber bitte voller Leidenschaft, mit viel Herz für unsere geliebte Stadt Reinbek im Grünen. Und mit einem klaren NEIN! an die hungrigen Investoren. Das kann doch nicht so schwer sein.

Patricia Böge aus Schönningstedt