„Die Reinbeker Stadtverordnetenversammlung hat am 29. Juni 2006 das Stadtleitbild beschlossen, als Wegweiser für die Zukunft und Leitlinie für Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt.“ So steht es in den vom Hauptausschuss der Stadt Reinbek beschlossenen „Grundsätzen für die Beteiligung von Reinbekerinnen/Reinbekern an der Konkretisierung des Stadtleitbildes.“[1] Weiter heißt es: „Stadtentwicklung soll als Gemeinschaftswerk von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft vollzogen werden.“
Das Stadtleitbild ist also eine Übereinkunft zwischen Reinbeker Verwaltung, Reinbeker Politik und Einwohnerinnen/Einwohnern der Stadt Reinbek über die zukünftige Entwicklung und Gestaltung ihrer Stadt. Die Beteiligung der in Reinbek Lebenden an den Inhalten des Stadtleitbildes war ausdrücklich erwünscht: So wird im zweiten Grundsatz des oben genannten Dokumentes explizit darauf verwiesen, dass die Beteiligung von Reinbekern am Stadtleitbild eine „wichtige Ergänzung zum Expertenwissen von Planern und einer spezialisierten Verwaltung“ sei, da „Bürgerwissen einen Beitrag zur Qualitätsverbesserung und zu einer ganzheitlichen Sicht von Planung leiste“.
Der dritte Grundsatz verweist auf einen „gleich berechtigten und verantwortungsbewussten Umgang miteinander“ und fordert „transparente Entscheidungsprozesse und Informationsvermittlung“. Alle Seiten sollten sich somit an die Einhaltung der Grundsätze gebunden und dem gemeinsam erarbeiteten Stadtleitbild verpflichtet fühlen, und es sollte keine einseitige Aufkündigung dieser Übereinkunft erfolgen.
Das Stadtleitbild wurde seit 2006 mehrfach aktualisiert, so dass auch neue Trends und Entwicklungen (z.B. gesellschaftlicher oder demographischer Art) bereits Berücksichtigung gefunden haben.
Das Stadtleitbild[2] soll laut Selbstdefinition „bei allen anstehenden Entscheidungen als Handlungsleitfaden“ beachtet werden (vgl. S. 2).
Daraus ergeben sich in Bezug auf den Gedanken einer Bebauung des Holzvogtlandes einige wichtige Rahmenbedingungen:
Das Stadtleitbild betont: „Reinbeks Charme, Eigenart und Stadtstruktur besteht in einer Stadtteilstruktur mit viel Freiraum und das soll auch so bleiben!“ (vgl. S. 7).
Verwaltung, Politik und Einwohner sind demnach übereingekommen, dass die weitverzweigte Stadtteilstruktur mit separaten, durch Grünzüge voneinander getrennten Stadtteilen so erhalten bleiben soll, weil sie einen besonderen Vorzug der Stadt darstellt und die Attraktivität Reinbeks ausmacht.
Um diese Stadtteilstruktur mit weitläufigen Grünflächen zwischen den Stadtteilen zu erhalten, gibt es klare Vorgaben für Flächenentwicklungen:
Oberste Priorität hat hierbei der Satz: „Die Innenentwicklung hat Priorität vor Neuausweisungen.“ (vgl. S. 7, Nr. 1). Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten, bestehende Baulücken in der Stadt zu nutzen, alte Gewerbeflächen umzuwandeln und Nachverdichtung zu ermöglichen, vollständig geprüft und ausgeschöpft sein müssen, bevor Reinbeks Grün- oder Ackerflächen überbaut und verdichtet werden dürfen.
Wenn doch einmal neue Flächen versiegelt werden sollten, dann macht das Stadtleitbild hierfür klare Vorgaben: Neuausweisungen sind auf „die im derzeit gültigen Flächennutzungs- und Landschaftsplan ausgewiesenen und dargestellten Entwicklungsflächen“ zu beschränken (vgl. S. 7, Nr. 3).
Das Holzvogtland wird im Stadtleitbild als eine solche Entwicklungsfläche bezeichnet:
„Die Freiflächen zwischen Schönningstedt und Alt-Reinbek werden als Entwicklungs- und Zukunftsoption verstanden und gesichert. Über ihre bauliche Nutzung und die Art der Nutzung wird entschieden, wenn dafür ein nachgewiesener Bedarf erkannt wird“ (vgl. S. 7, Nr. 4).
Das Holzvogtland kann laut Stadtleitbild also grundsätzlich überbaut werden. Die Bebauung ist allerdings an eine konkrete Bedingung geknüpft: Es muss ein Bedarf hierfür nachgewiesen werden!
Bislang gibt es von den Parteien oder der Reinbeker Verwaltung keine Erläuterungen oder gar einen Nachweis hinsichtlich des im Stadtleitbild verbindlich festgeschriebenen Bedarfs.
Um einen Bedarf festzustellen, müsste erst einmal ein konkretes Ziel benannt und kommuniziert werden! Gibt es denn überhaupt ein solches Ziel, welches die Reinbeker Parteien und die Reinbeker Verwaltung im Sinne der vom Hauptausschuss verabschiedeten Beteiligungsgrundsätzen gemeinsam mit den Reinbekerinnen und Reinbekern definiert haben und gemeinsam erreichen möchten?
Wie lautet das Ziel, was Reinbek mit der Schaffung von Wohnraum im Allgemeinen und der Bebauung des Holzvogtlandes im Konkreten erreichen möchte?
- Soll eine bestimmte Einwohnerzahl erreicht werden?
- Soll allen, die in Reinbek auf der Liste der Wohnungssuchenden stehen, eine neue Wohnung geboten werden?
- Soll für wohnungssuchende Hamburger ein neues Zuhause in Reinbek geschaffen werden?
- Soll ein Mietpreis von 5€/qm, von 10€/qm, von 30€/qm für alle Reinbeker Mieter ermöglicht werden?
- ???
Unklar! Weder die Reinbeker Verwaltung noch die politischen Parteien der Stadt Reinbek haben ein klares Ziel formuliert und öffentlich benannt! Ohne Ziel ist es jedoch unmöglich festzustellen, wie groß ein Gesamtbedarf ist, ob überhaupt ein Bedarf (für die ausgegebene Zielgröße) besteht, ob das Ziel längst erreicht wurde und wann der Bedarf für die gemeinsam definierte Zielgröße schließlich erschöpft ist.
Bevor also die Versiegelung des Holzvogtlandes überhaupt diskutiert wird, muss im Sinne des Stadtleitbildes erst einmal ein gemeinsames Ziel gefunden und auch im Sinne des oben benannten dritten Grundsatzes („gleichberechtigter Umgang“, „transparente Entscheidungsprozesse“ und „Informationsvermittlung“) öffentlich (!) diskutiert und kommuniziert werden!
Sollte das festgelegte Ziel dann bestätigen, dass ein zusätzlicher Bedarf für Wohnraum in Reinbek besteht, müsste gemäß der im Stadtleitbild festgelegten Maxime „Innenverdichtung hat Priorität vor Neuausweisungen“ nachgewiesen werden, dass dieser Bedarf nicht in bestehenden Gebieten erfüllt werden kann, sondern dass die Neuversiegelung von Flächen unumgänglich ist.
Diese beiden Schritte sind zwingend einzuhalten – ansonsten muss man feststellen, dass Reinbeks Verwaltung und Politik das gemeinsame Stadtleitbild gegenüber den Einwohnerinnen und Einwohnern ihrer Stadt einseitig aufgekündigt haben. Der Satz „Größte Bedeutung für die Kraft, die dieses Leitbild entfalten kann, hat seine politische und öffentliche Akzeptanz“ (vgl. S.1) wäre dann hinfällig und die Glaubwürdigkeit der politisch Handelnden dahin!
[1] 2006_Grundsaetze_fuer_Beteiligung_Leitbild.pdf (reinbek.de)
[2] Stadtleitbild Reinbek