Der »Stadtcheck« suggeriert Genauigkeit und belastbare Informationen. Das Gegenteil ist der Fall.

Leserbrief erschien in der Ausgabe vom 8. Februar 2021 auf S. 18 / 2021-02-08.pdf (derreinbeker.de)

Es ist sehr zu begrüßen, dass Frau Pfeiffer eine ehrliche, faktenbasierte Debatte wünscht, die alle Seiten der Medaille beleuchtet, ob eine Bebauung des Holzvogtlands wirklich notwendig ist. Allerdings scheint sie selbst offensichtlich zu den von ihr kritisierten »Akteuren[, die] nur die Informationen verbreiten, die ihnen passen«, zu gehören. Um den komplexen Sachverhalt angemessen aufzubereiten, gehören u.a. die folgenden Fakten in die Diskussion:

1. Die CDU Reinbek feiert seit Jahren ihr Sommerfest auf dem »Hof Dusenschön«. Ein wichtiger Fakt, um mögliche Interessenkonflikte und Befangenheiten bewerten zu können.

2. Wenn Frau Pfeiffer mit Bezug auf den »Stadtcheck« schreibt, dass sich Bürger bei einem Teil des Holzvogtlands eine Bebauung vorstellen könnten, so erscheint die faktische Fundierung dieser Argumentation mehr als zweifelhaft: Der »Stadtcheck« ist keine (!) repräsentative Befragung der Reinbeker Bürger. So waren beispielsweise Mehrfachbeteiligungen an der Umfrage ebenso wenig ausgeschlossen, wie die Beteiligung von anderen als Reinbeker Bürgern. Schaut man sich die Ergebnisse im Detail an, so reichten zudem bereits minimale 10 Nennungen, um Flächen als »Potenzialflächen« im Sinne einer möglichen Bebauung zu markieren.

3. Zudem kann jeder selbst beurteilen, welche wirklich belastbaren Fakten ein Stadt-Check-Fragebogen produziert, der bereits eine einfache Information wie das Lebensalter mit Antwortkategorien wie 18 bis 25 Jahre und 25 bis 35 Jahre erfasst – Welche Alternative soll der 25-jährige ankreuzen? Anderes Beispiel: Die Frage »Was ist Ihnen in Ihrem Wohnumfeld besonders wichtig?« bietet u.a. die Antwortoptionen »Grün- und Freiflächen«. So werden Grünflächen mit Freiflächen gleichgesetzt, zu denen »teilweise auch versiegelte, aber nicht bebaute Flächen gezählt« werden. Der Bürger wünscht sich die Grünfläche, die Politik schafft den Parkplatz. So lassen sich Fakten im Sinne des Fragebogens schaffen. Zur selben Frage gibt es die Antwortoption »leistungsfähige Straßen«. Wer wünscht sich schon Straßen, die nicht leistungsfähig sind? Keiner. Leider bleiben die wesentlichen Informationen unberücksichtigt: Wünscht sich der Reinbeker Bürger mehr Straßen oder weniger Straßen? Breitere, schnellere, langsamere Straßen? Mehr Tempo-30-Zonen? Straßen für Autos oder Fahrräder? usw. Fakt ist: Der »Stadtcheck« suggeriert Genauigkeit und belastbare Informationen. Das Gegenteil ist der Fall. Mit derartigen Fragemethoden werden Ergebnisse produziert, die jeder in seinem Sinn auslegen und für die eigenen politischen Zwecke instrumentalisieren kann.

4. Fakt ist auch: Die Ergebnisse und Dokumente zum »Stadtcheck« sind nicht vollständig im Internet abzurufen, obwohl auf der von der Stadt Reinbek betriebenen Seite www.reinbek-im-dialog.de formuliert wird: »Auf der folgenden Seite finden Sie alle [!] Informationen und Ergebnisse zu dem 2018 durchgeführten Stadtcheck«.

Wieso fehlt dann der verwendete Fragebogen? Wieso fehlen die Freitextantworten der Bürger? Wieso fehlt das Ergebnisdokument, in dem es heißt: »Das zentrale Zukunftsthema für Reinbek sehen die Bewohnerinnen und Bewohner in dem Bezug der Stadt zum Grünen. Sowohl die Einbettung der Stadtteile in die Natur als auch die innerstädtischen Grünräume sind für die Reinbekerinnen und Reinbeker wesentlich für die Lebensqualität und Identität ihrer Stadt. Diese zentrale Rolle soll dem Grünen in Reinbek auch in Zukunft zukommen«.

Wieso setzt sich die Stadtverwaltung dem Verdacht aus, wissentlich Intransparenz zu schaffen?

Es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, weitere Argumente aus dem »Debattenbeitrag« aufzugreifen. Frau Pfeiffers Berufung auf die Demokratie ist aller Ehren wert. Zur Demokratie gehört aber auch, dass die Reinbeker:innen sich bei den nächsten Wahlen erinnern, was sie im »Stadtcheck« der Politik mit auf den Weg gaben: »Eine Mehrheit der Befragten lehnt ein Zusammenwachsen der Ortsteile strikt ab«.

Prof. Dr. Christian Warneke