Offener Brief an die Stadtverordneten der Stadt Reinbek vom 11. April 2021
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe (ehemalige) Kolleginnen und Kollegen!
Wie Sie wissen, wird in Reinbek vermutlich noch in diesem Jahr zu entscheiden sein, ob die derzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche zwischen Alt-Reinbek und Schönningstedt, also das sog. Holzvogtland, durch eine Großsiedlung bebaut werden soll. Auch wenn derzeit nur für den südlichen Teil des Holzvogtlandes, den sog. Stahmer’schen Acker, durch Investoren konkrete Pläne veröffentlicht sind, ist bekannt, dass auch für die übrigen Teile des Holzvogtlandes Bebauungsplanungen bestehen; die dortigen Investoren warten lediglich, wie die öffentliche Diskussion über den Stahmer’schen Acker verläuft.
Die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein kennt den Bürgerentscheid als Instrument der demokratischen Willensbildung. Üblicherweise wählen Bürgerinnen und
Bürger diesen Weg, um sich gegen unliebsame Entscheidungen der Gemeinde- und Stadtvertretungen zu wehren. Die Gemeindeordnung sieht aber ausdrücklich auch vor, dass die Stadtverordnetenversammlung selbst einen Bürgerentscheid initiieren kann (siehe § 16g Absatz 1 der GemO SH). Wir appellieren an Sie, bei der Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlandes diesen Weg zu gehen und das Votum der Reinbekerinnen und Reinbeker, also des eigentlichen Souveräns, einzuholen.
Mit der Entscheidung über das Bauvorhaben zum südlichen Holzvogtland wird grundsätzlich und nicht revidierbar über das Landschaftsbild unserer Stadt entschieden. Mit der Bebauung der Freiflächen zwischen den Stadtteilen Prahlsdorf und Schönningstedt wird der Charakter Reinbeks als Stadt im Grünen grundlegend verändert. Dies könnte man angesichts des Wohnungsmangels in der Metropolregion Hamburg, für die Reinbek nicht die Verantwortung trägt und nicht tragen kann, für sinnvoll halten. Vergessen und verdrängt wird jedoch, dass Reinbek ein verpflichtendes Umwelt- und Klimaschutzkonzept entwickelt hat, das dem Ansinnen der Bebauung des Holzvogtlandes klar entgegensteht. Nur durch die Einhaltung einer solchen Verpflichtung kann eine umweltbewusste und moderate Stadtentwicklung Reinbeks erfolgen. Das Für und Wider wird in Reinbek seit mehr als zwanzig Jahren diskutiert; es dürfte nur wenige Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt geben, die sich mit diesem Thema nicht bereits befasst haben.
Wir sind der festen Überzeugung, dass angesichts der weitreichenden Bedeutung, die die Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlandes für die Zukunft Reinbeks hat, diese Entscheidung durch einen Bürgerentscheid herbeigeführt werden sollte. Als grundsätzliche Befürworter einer repräsentativen Demokratie und langjährige Kommunalpolitiker wissen wir um die Versuchung, sich selbst als Stadtverordnete oder Stadtverordneter mehr Entscheidungskompetenz zuzuschreiben als den ‚einfachen‘ Bürgerinnen und Bürgern. Allerdings geht es hier nicht um einen Beschluss, der umfassendes Detailwissen voraussetzt, sondern um einen Grundsatzbeschluss zum Reinbeker Landschaftsbild.
Wir appellieren an Sie: Nehmen Sie Ihre Wählerinnen und Wähler als politische Subjekte ernst und ermöglichen Sie den Reinbeker Bürgerinnen und Bürgern, über die Bebauung des Holzvogtlandes zu entscheiden. Dieser Bürgerentscheid könnte zeitgleich mit den Bundestagswahlen im September 2021 oder den Landtagswahlen 2022 stattfinden, so dass eine repräsentative Zahl von Reinbekerinnen und Reinbekern hieran teilnähme. Bis zu diesem Tag bleibt genügend Zeit, um alle Interessierten umfassend und detailliert über das Für und Wider einer Holzvogtland-Bebauung zu informieren.
Mit freundlichem Gruß
Andrea Bachstein-Unglaube
Professor Dr. Andreas Fleischer
Dr. Ulrich Fritz
Tomas Unglaube