Das Holzvogtland im Stadtleitbild

„Die Reinbeker Stadtverordnetenversammlung hat am 29. Juni 2006 das Stadtleitbild beschlossen, als Wegweiser für die Zukunft und Leitlinie für Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt.“  So steht es in den vom Hauptausschuss der Stadt Reinbek beschlossenen „Grundsätzen für die Beteiligung von Reinbekerinnen/Reinbekern an der Konkretisierung des Stadtleitbildes.“[1] Weiter heißt es: „Stadtentwicklung soll als Gemeinschaftswerk von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft vollzogen werden.“  

Das Stadtleitbild ist also eine Übereinkunft zwischen Reinbeker Verwaltung, Reinbeker Politik und Einwohnerinnen/Einwohnern der Stadt Reinbek über die zukünftige Entwicklung und Gestaltung ihrer Stadt. Die Beteiligung der in Reinbek Lebenden an den Inhalten des Stadtleitbildes war ausdrücklich erwünscht: So wird im zweiten Grundsatz des oben genannten Dokumentes explizit darauf verwiesen, dass die Beteiligung von Reinbekern am Stadtleitbild eine „wichtige Ergänzung zum Expertenwissen von Planern und einer spezialisierten Verwaltung“ sei, da „Bürgerwissen einen Beitrag zur Qualitätsverbesserung und zu einer ganzheitlichen Sicht von Planung leiste“.

Der dritte Grundsatz verweist auf einen „gleich berechtigten und verantwortungsbewussten Umgang miteinander“ und fordert „transparente Entscheidungsprozesse und Informationsvermittlung“. Alle Seiten sollten sich somit an die Einhaltung der Grundsätze gebunden und dem gemeinsam erarbeiteten Stadtleitbild verpflichtet fühlen, und es sollte keine einseitige Aufkündigung dieser Übereinkunft erfolgen.

Das Stadtleitbild wurde seit 2006 mehrfach aktualisiert, so dass auch neue Trends und Entwicklungen (z.B. gesellschaftlicher oder demographischer Art) bereits Berücksichtigung gefunden haben.

Das Stadtleitbild[2] soll laut Selbstdefinition „bei allen anstehenden Entscheidungen als Handlungsleitfaden“ beachtet werden (vgl. S. 2).

Daraus ergeben sich in Bezug auf den Gedanken einer Bebauung des Holzvogtlandes einige wichtige Rahmenbedingungen:

Das Stadtleitbild betont: „Reinbeks Charme, Eigenart und Stadtstruktur besteht in einer Stadtteilstruktur mit viel Freiraum und das soll auch so bleiben!“ (vgl. S. 7).

Verwaltung, Politik und Einwohner sind demnach übereingekommen, dass die weitverzweigte Stadtteilstruktur mit separaten, durch Grünzüge voneinander getrennten Stadtteilen so erhalten bleiben soll, weil sie einen besonderen Vorzug der Stadt darstellt und die Attraktivität Reinbeks ausmacht.

Um diese Stadtteilstruktur mit weitläufigen Grünflächen zwischen den Stadtteilen zu erhalten, gibt es klare Vorgaben für Flächenentwicklungen:

Oberste Priorität hat hierbei der Satz: „Die Innenentwicklung hat Priorität vor Neuausweisungen.“  (vgl. S. 7, Nr. 1). Dies bedeutet, dass die Möglichkeiten, bestehende Baulücken in der Stadt zu nutzen, alte Gewerbeflächen umzuwandeln und Nachverdichtung zu ermöglichen, vollständig geprüft und ausgeschöpft sein müssen, bevor Reinbeks Grün- oder Ackerflächen überbaut und verdichtet werden dürfen.

Wenn doch einmal neue Flächen versiegelt werden sollten, dann macht das Stadtleitbild hierfür klare Vorgaben: Neuausweisungen sind auf „die im derzeit gültigen Flächennutzungs- und Landschaftsplan ausgewiesenen und dargestellten Entwicklungsflächen“ zu beschränken (vgl. S. 7, Nr. 3).

Das Holzvogtland wird im Stadtleitbild als eine solche Entwicklungsfläche bezeichnet:

„Die Freiflächen zwischen Schönningstedt und Alt-Reinbek werden als Entwicklungs- und Zukunftsoption verstanden und gesichert. Über ihre bauliche Nutzung und die Art der Nutzung wird entschieden, wenn dafür ein nachgewiesener Bedarf erkannt wird“ (vgl. S. 7, Nr. 4).

Das Holzvogtland kann laut Stadtleitbild also grundsätzlich überbaut werden. Die Bebauung ist allerdings an eine konkrete Bedingung geknüpft: Es muss ein Bedarf hierfür nachgewiesen werden!

Bislang gibt es von den Parteien oder der Reinbeker Verwaltung keine Erläuterungen oder gar einen Nachweis hinsichtlich des im Stadtleitbild verbindlich festgeschriebenen Bedarfs.

Um einen Bedarf festzustellen, müsste erst einmal ein konkretes Ziel benannt und kommuniziert werden! Gibt es denn überhaupt ein solches Ziel, welches die Reinbeker Parteien und die Reinbeker Verwaltung im Sinne der vom Hauptausschuss verabschiedeten Beteiligungsgrundsätzen gemeinsam mit den Reinbekerinnen und Reinbekern definiert haben und gemeinsam erreichen möchten?

Wie lautet das Ziel, was Reinbek mit der Schaffung von Wohnraum im Allgemeinen und der Bebauung des Holzvogtlandes im Konkreten erreichen möchte?

  • Soll eine bestimmte Einwohnerzahl erreicht werden?
  • Soll allen, die in Reinbek auf der Liste der Wohnungssuchenden stehen, eine neue Wohnung geboten werden?
  • Soll für wohnungssuchende Hamburger ein neues Zuhause in Reinbek geschaffen werden?
  • Soll ein Mietpreis von 5€/qm, von 10€/qm, von 30€/qm für alle Reinbeker Mieter ermöglicht werden?
  • ???

Unklar! Weder die Reinbeker Verwaltung noch die politischen Parteien der Stadt Reinbek haben ein klares Ziel formuliert und öffentlich benannt! Ohne Ziel ist es jedoch unmöglich festzustellen, wie groß ein Gesamtbedarf ist, ob überhaupt ein Bedarf (für die ausgegebene Zielgröße) besteht, ob das Ziel längst erreicht wurde und wann der Bedarf für die gemeinsam definierte Zielgröße schließlich erschöpft ist.

Bevor also die Versiegelung des Holzvogtlandes überhaupt diskutiert wird, muss im Sinne des Stadtleitbildes erst einmal ein gemeinsames Ziel gefunden und auch im Sinne des oben benannten dritten Grundsatzes („gleichberechtigter Umgang“, „transparente Entscheidungsprozesse“ und „Informationsvermittlung“) öffentlich (!) diskutiert und kommuniziert werden!

Sollte das festgelegte Ziel dann bestätigen, dass ein zusätzlicher Bedarf für Wohnraum in Reinbek besteht, müsste gemäß der im Stadtleitbild festgelegten Maxime „Innenverdichtung hat Priorität vor Neuausweisungen“ nachgewiesen werden, dass dieser Bedarf nicht in bestehenden Gebieten erfüllt werden kann, sondern dass die Neuversiegelung von Flächen unumgänglich ist.

Diese beiden Schritte sind zwingend einzuhalten – ansonsten muss man feststellen, dass Reinbeks Verwaltung und Politik das gemeinsame Stadtleitbild gegenüber den Einwohnerinnen und Einwohnern ihrer Stadt einseitig aufgekündigt haben. Der Satz „Größte Bedeutung für die Kraft, die dieses Leitbild entfalten kann, hat seine politische und öffentliche Akzeptanz“ (vgl. S.1) wäre dann hinfällig und die Glaubwürdigkeit der politisch Handelnden dahin!


[1] 2006_Grundsaetze_fuer_Beteiligung_Leitbild.pdf (reinbek.de)

[2] Stadtleitbild Reinbek

Na dann, guten Appetit !

Leserbrief (an ,,Den Reinbeker”, in gekürzter Fassung am 2.8.2021 unter der Überschrift “Es wird Reinbek das Genick brechen!” erschienen)

Betr.: Reinbek: Holzvogtland und Steinerei sollen grün bleiben
erschienen im HA 29.05.2021

Verzeihen Sie bitte, sehr geehrte Politiker der Stadt Reinbek im –noch-Grünen, dass ich Sie schon wieder belästigen muss- aber dieses ganze Gerede, um die Bebauung des Holzvogtlandes, verursacht in meinem Kopf so langsam …

Soll uns Bürgern nun das Bauvorhaben „Quartier Kampsredder“ als Delikatesshäppchen angeboten werden? Häppchen sind ja bekanntlich kleine Stückchen, die gut verdaulich sind und man merkt es nicht so schnell, sollte man zu viel gegessen haben und plötzlich ist der Teller doch tatsächlich leer und niemand will es gewesen sein.
Ups ! Es waren doch nur schlappe 5,3ha Ackerland, leicht verdaulich, die da betoniert wurden. Gegen das bisschen Bauchweh, sollten dann die Worte helfen: „ Dafür bleibt das restliche Holzvogtland langfristig unbebaut.“
Was auch immer LANGFRISTIG bedeutet- in der heutigen Zeit wohl NIX-wenn wieder ein hungriger Investor an der Amts Tür klopft. Und die stehen schon für das restliche Holzvogtland Schlange und warten nur auf ein Go! Ich muss die Herren Politiker und Investoren leider enttäuschen, so einfach esse ich die Häppchen nicht, denn ihre Häppchen entwickeln sich in meinem Hals zu ungenießbaren Brocken, die ich nicht einfach runterschlucken werde. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber es muss wohl sein: Reinbek verträgt eine derartig große Bebauung nicht mehr. Es wird Reinbek das Genick brechen und somit auch zum Verkehrskollaps führen.
Seien Sie doch bitte mal ehrlich, ganz wohl ist Ihnen bei dieser Vorgehensweise nicht und ein bisschen schlechtes Gewissen gegenüber Reinbeks –Ökosystem haben Sie doch auch, oder? Da hilft Ihnen das Argument, Reinbek benötigt bezahlbaren Wohnraum, nicht wirklich.
Warum hat Reinbek angeblich so wenige Sozialwohnungen? Verkauft die Stadt etwa ihre Wohnkomplexe gerne dann, wenn kostenintensive Sanierungsarbeiten anstehen? Jeder Hauseigentümer bildet dafür doch eigentlich Rücklagen und was macht die Stadt? Lieber weg damit, warten bis ein Investor auftaucht und hoffen, dass ein paar Wohnungen für die Stadt abfallen. Oder wie läuft das? Im Fall „Quartier Kampsredder“ bedeutet das, bei insgesamt 250 Wohn – einheiten, etwa 50 Sozialwohnungen oder gar weniger, weil ja schon die Kita gesponsert werden soll. Auch wenn der Investor nun Auflagen von der Stadt erhält, Fläche für die Allgemeinheit abzugeben, aber zu viel darf man da wohl auch nicht erwarten, denn laut Krieger „Es ist klar, dass wir mit unserem Projekt auch Geld verdienen wollen, aber hier etwas Tolles entsteht.“ So „toll“ wie Schröders Koppel ?? Wo viele Anwohner nun ihre Fahrzeuge im Oher Weg parken, obwohl es ja genügend Tiefgaragenplätze gibt? Bezahlbarer Raum ? Sorry, für meine Süffisanz.
Ein schlechter Deal, wenn Sie mich fragen- aber mich fragen Sie ja nicht. Ich soll nur schön die Häppchen schlucken und still sein. Mir fällt es aber sehr schwer still zu sein, wenn es um unser aller Lebensraum geht. Die aktuellen Ereignisse in NRW zeigen uns doch ganz eindeutig, das großflächige Bodenversiegelungen im Zeitalter von Klimawandel und die damit verbundenen extremen Wetterereignisse nicht zu verantworten sind! Ackerflächen- und Wiesen werden wir in Zukunft mehr denn Je als Wasserspeicher benötigen. Ansonsten stehen auch wir Reinbeker bald mit nassen Füßen in unseren Wohnungen.
Und dann ? Dann will es mal wieder keiner gewesen sein! Und wir Bürger stehen da, allein gelassen vor dem Trümmerhaufen und dürfen zu sehen, wie wir damit klar kommen. Das will ich nicht!
Unsere Gesellschaft spricht von Klimaschutz-Ökosysteme-Biodiversität – aber keiner geht hin? Haben Sie doch jetzt endlich den Mut und gehen Sie da mal hin! Was nützen uns die vielen betonierten Wohnquartiere, wenn unsere Kinder bald keine Luft mehr zum Atmen haben? Übernehmen sie endlich Verantwortung und senken Sie den Flächenverbrauch, aber bitte voller Leidenschaft, mit viel Herz für unsere geliebte Stadt Reinbek im Grünen. Und mit einem klaren NEIN! an die hungrigen Investoren. Das kann doch nicht so schwer sein.

Patricia Böge aus Schönningstedt

Ergebnisse der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland untermauern die Haltung der BI, dass das gesamte Holzvogtland frei von Bebauung bleiben muss!

In einer Pressemitteilung vom 14. Juni 2021 hat das Umweltbundesamt die Ergebnisse der aktuellen Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland bekannt gegeben. Diese Analyse zeigt die Risiken verschiedener Klimaszenarien bis zum Jahr 2050 und bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf.

Begrünung und Entsiegelung in Städten als Vorsorgemaßnahmen gegen gravierende Hitzebelastungen und andere Wetterextreme

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse sind eindeutig: Um sich für Risiken durch extreme Hitze, Trockenheit, Überflutungen durch Starkregen oder Stürme zu wappnen, müssen Kommunen konsequent Maßnahmen zur Verbesserung der natürlichen Umwelt umsetzen. Hierbei geht es nicht um Maßnahmen, die den zukünftigen Klimawandel bekämpfen, sondern um Maßnahmen, die als Vorsorge und Anpassung an die bereits heute nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels getroffen werden müssen. „Dazu gehören tödliche Hitzebelastungen, besonders in Städten, Wassermangel im Boden und häufigere Hoch- und Niedrigwasser, mit schwerwiegenden Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft…“, wird in der Pressemitteilung berichtet. Zu den für Städte abgeleiteten notwendigen Maßnahmen zur Abmilderung der Extremwetterereignisse zählen unter anderem die

  • Verringerung von asphaltierten Flächen (Entsiegelung)
  • Schaffung von renaturierten wasseraufnehmenden und -abgebenden Freiflächen
  • großflächige Begrünung von Freiflächen und Dächern
  • Vernetzung von grünen Strukturen
  • Anpflanzung von Bäumen in Städten und so schnell wie möglich
  • Reduzierung des Flächenverbrauchs(!)

Was ist noch nötig, damit wir erkennen, dass der Klimawandel die primäre Herausforderung für unsere Stadt Reinbek ist? Die zurzeit stattfindenden politischen Entscheidungen in Reinbek sind exakt gegenläufig zu den Erkenntnissen und Empfehlungen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Umweltbundesamtes:

Wenige Tage nach Veröffentlichung der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 wurde am 17.06.2021 in der Reinbeker Stadtverordnetenversammlung (STVV_2021_06_17) unter TOP Ö23 der Antrag, auf eine Bebauung des Holzvogtlandes langfristig zu verzichten, von der Mehrheit der Stadtverordneten abgelehnt, obwohl dieses Land von essentieller Bedeutung für die Abmilderung der aufgezählten Extremwetterereignisse ist: Hier kühlt sich Luft ab, Wasser kann langsamer abfließen und versickern, Stürme werden verlangsamt, um nur einige Beispiele zu nennen.

Für die Bebauung des Holzvogtlandes oder auch Teilen davon wird immer wieder das Argument „Bedarf an sozialem und altersgerechtem Wohnraum“ angeführt. Diesen Bedarf zu decken ist sicher eine sehr wichtige Aufgabe. Der tatsächliche Bedarf an Wohnraum in Reinbek, der aus Reinbeks Bevölkerung selbst entsteht, ist allerdings vergleichsweise gering. Daher sollen faktisch ohne Notwendigkeit Neubaugebiete geschaffen werden, mit der direkten Konsequenz großer Auswirkungen des Klimawandels auf Reinbek.

Die BI setzt sich dafür ein, dass anstatt dessen bestehende alternative Lösungen ausgeschöpft werden sollen und nicht zusätzliche unwiederbringliche grüne Flächen versiegelt werden. Grüne Flächen, die wir brauchen werden, um die Gesundheit der in Reinbek lebenden Menschen zu schützen, weil sie für ein ausgewogenes Mikroklima in unserer Stadt sorgen.

Faktencheck zur Bauausschusssitzung am 15.06.2021

In der Kommunalpolitischen Fragestunde der Bauausschusssitzung am 15.06.2021 wandte sich die BI-Holzvogtland mit den folgenden Fragen an die Fraktionen:

Frage 1:

Stimmen Sie in der heutigen Sitzung und grundsätzlich FÜR oder GEGEN einen Bürgerentscheid zur Bebauung des Holzvogtlandes?

Frage 2:

Welche Gründe veranlassen Sie, FÜR oder GEGEN einen Bürgerentscheid zur Bebauung des Holzvogtlandes zu sein?

Der Ausschussvorsitzende verwies darauf, dass diese Fragen nicht im Rahmen der kommunalpolitischen Fragestunde (TOP 2) beantwortet werden könnten, da die Diskussion hierzu erst noch im Laufe der Sitzung abgehalten würde (TOP 5-7).

Während der Sitzung hat lediglich die Fraktion der Grünen hierzu eine Stellungnahme abgegeben. Die FDP-Fraktion hat sich bereits im Vorfeld zu diesen Fragestellungen öffentlich positioniert. Alle anderen Fraktionen äußerten sich nicht.

Wir haben die Fraktionen nun gebeten, diese Fragen schriftlich bis 30.06.2021 zu beantworten, damit wir ihre Antworten auf unserer Webseite veröffentlichen können.

.

Im Folgenden einige Eindrücke und Statements aus der Diskussion der Fraktionen im Bauausschuss vom 15.06.2021 samt Faktencheck:

„In Reinbek sterben mehr Leute als dass Kinder geboren werden, wir sind also unweigerlich auf Zuzug angewiesen.“

Laut dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein lag die Geburtenzahl für Reinbek im Jahr 2019 bei 214 Geburten, während 308 Leute verstorben sind. Hieraus ergibt sich ein negativer natürlicher Bevölkerungssaldo in Höhe von -94.[1] Seit dem Jahr 2000 gab es nur zweimal (!) einen positiven natürlichen Bevölkerungssaldo, nämlich im Jahr 2004 und im Jahr 2006.[2]

.

„Die obige Aussage ist falsch, man muss auch mal bei den Fakten bleiben. Es gibt nämlich mehr Zuzug in Reinbek als Leute sterben.“

Im Jahr 2019 gab es laut dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein 2.051 Zuzüge nach Reinbek und 1.649 Wegzüge. Der Wanderungssaldo betrug 2019 also +402 Einwohner.[3]  Diese Entwicklung lässt sich auch für die vergangenen Jahre feststellen. Es ist korrekt, dass es eine positive Bevölkerungsentwicklung in Reinbek gibt, weil mehr Leute nach Reinbek ziehen als versterben. Das ist jedoch anders als suggeriert kein Widerspruch zu obiger Aussage, sondern untermauert diese vielmehr noch. Es zeigt aber, dass die nun folgende Aussage falsch ist.

.

„Wir können uns nicht wie ein kleines gallisches Dorf abschotten, einen Zaun um uns herumbauen und keinen Zuzug nach Reinbek ermöglichen.“

Die Einwohnerzahl Reinbeks ist laut Webseite der Stadt seit dem Jahr 2000 zum Stichtag 31.12.2020 um 13% gestiegen. So schreibt die Stadtverwaltung: Am 31.12.2020 hatte Reinbek rund 28.200 Einwohner*innen. Das sind etwa 13% mehr als zur Jahrtausendwende.“ [4]

Auch die Reinbeker SPD schreibt auf ihrer Webseite: „Sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozent fand sich Reinbek 2018 unter den fünf Städten mit dem größten Bevölkerungswachstum im Land.“ [5]

Es ist also falsch, dass kein Zuzug nach Reinbek erfolgt. Denn die Geburtenrate in Reinbek ist deutlich geringer als die Sterberate und somit beruht das Wachstum auf Zuzug.

Wenn man sich gegen die Bebauung des Holzvogtlandes ausspricht, bedeutet dies nicht, dass man grundsätzlich gegen Zuzug ist, sich abschotten möchte und alles so belassen möchte, wie es ist. Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren bereits stark gestiegenen Einwohnerzahl werden von unserer Bürgerinitiative nur andere Ziele und Schwerpunkte in der Stadtentwicklung als sinnvoll erachtet und ganzheitlich nachhaltig durchdachte Lösungen bevorzugt.

Übrigens: Im Vergleich dazu hat Hamburg seine Einwohnerzahl von 1.715.392 Einwohnern im Jahr 2000[6] auf 1.847.253 Einwohner im Jahr 2019 gesteigert, was einem Prozentsatz von rund 7,7% entspricht. Nach neuesten Erkenntnissen verlangsamt sich der Anstieg der Bevölkerungszahlen in Hamburg mittlerweile sogar.[7]

.

„Ungefähr 9.000 Menschen pendeln täglich zum Arbeiten nach Reinbek. Mit der Bebauung des Holzvogtlandes könnten viele Reinbeker Arbeitnehmer hierherziehen, wodurch sich die Pendelei verringern würde. Das hätte einen positiven Einfluss auf das Klima.“

Laut Pendleratlas[8] setzt sich die Pendlerzahl für Reinbek wie folgt zusammen:

  • 8.983 Einpendler (Wohnort außerhalb Reinbeks, Arbeitsort Reinbek)
  • 8.725 Auspendler (Wohnort Reinbek, Arbeitsort außerhalb Reinbeks)
  • 1.639 Binnenpendler (Wohn- und Arbeitsort ist Reinbek)

Die Zahl ist also zutreffend, allerdings ist die Schlussfolgerung daraus nicht begründet. Es sind folgende Argumente diesbezüglich in Betracht zu ziehen:

  • Viele Pendler können auch aus umliegenden Gemeinden (Wentorf, Glinde, Bergedorf etc.) kommen und haben gar kein Interesse nach Reinbek zu ziehen (z.B. pendeln auch etliche Verwaltungsmitarbeiter der Stadt Reinbek aus Nachbargemeinden). Die Wohltorfer und Aumühler werden sicherlich zum Großteil nicht in ihrer Heimatgemeinde ihren Arbeitsplatz haben.
  • Zieht eine Familie aus Hamburg nach Reinbek, weil einer der Partner in Reinbek arbeitet, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass nun der andere Ehepartner aus Reinbek nach Hamburg pendeln muss. Es ist möglich, doch vermutlich eher selten, dass beide in Reinbek ihren Arbeitsplatz haben.
  • Es möchte gar nicht jeder Arbeitnehmer am Ort seines Arbeitsplatzes wohnen, ansonsten wäre die Zahl der Binnenpendler sicherlich bereits aktuell höher.

.

„Der Grundsatzbeschluss der Grünen zum Holzvogtland ist sinnvoller als ein Bürgerentscheid, weil er langfristiger orientiert ist als ein Bürgerentscheid, der nur für zwei Jahre Gültigkeit besitzt. Langfristig bedeutet hierbei mindestens bis zur nächsten Legislaturperiode, in der sich Mehrheiten ändern könnten.“

Es ist richtig, dass ein Bürgerentscheid für zwei Jahre gültig ist, er kann zudem auch alle zwei Jahre wiederholt und erneuert werden.

Im Gegensatz dazu kann der sogenannte „Grundsatzbeschluss“ der Grünen (es bei der Bebauung des Stahmers Acker zu belassen) jederzeit durch die Stadtverordnetenversammlung wieder rückgängig gemacht werden, theoretisch auch schon in der nächsten Sitzung, also monatlich. Was passiert und ob sich Mehrheiten ändern, nachdem die Bebauung des Stahmers Acker beschlossen ist, kann nicht vorhergesagt werden.

Auch der Zeithorizont bis zur nächsten Legislaturperiode ist eher überschaubar: Die nächste Kommunalwahl findet im Frühjahr 2023 statt. Würde man einen Bürgerentscheid im September 2021 durchführen, so hätte er eine Gültigkeit bis Herbst 2023.

.

Weitere interessante Aussagen:

„Es gibt einen neuen Eigentümer für das Feld zwischen Edeka und der Schönningstedter Straße.“

Anmerkung: Damit ist offenbar der Teil des Holzvogtlandes gegenüber dem Bismarck Seniorenstift, der direkt an die Schönningstedter Straße angrenzt, gemeint.

Ein Faktencheck ist uns hierfür leider nicht möglich. Fakt ist jedoch, dass diese Tatsache viele Fragen, insbesondere hinsichtlich des „Grundsatzbeschlusses“ zur Bebauung des Holzvogtlandes, aufwerfen würde.


[1] Statistikamt Nord: Meine Region – Datenanzeige für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[2] Statistikamt Nord: Meine Region – Zeitreihe für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[3] Statistikamt Nord: Meine Region – Zeitreihe für Reinbek, Stadt (statistik-nord.de)

[4] Die Stadt im Grünen – Zahlen | Daten | Fakten (reinbek.de)

[5] Die Debatte um das Holzvogtland – Mehr Chance als Risiko › SPD Reinbek (spd-reinbek.de)

[6] Einwohnerzahl in Hamburg bis 2019 | Statista

[7] Bevölkerung in Hamburg 2019 – Statistikamt Nord (statistik-nord.de)

[8] Reinbek | Pendleratlas

Offener Brief der Bürgerinitiative Holzvogtland an die Stadtverordneten der Stadt Reinbek

Sehr geehrte Stadtverordnete,
mit diesem offenen Brief möchten wir Sie gewinnen, in der kommenden Stadtverordnetenversammlung einen Bürgerentscheid über das Schicksal des Holzvogtlands zu ermöglichen.
Warum sollten Sie das aus unserer Sicht tun? Was spricht für eine Beteiligung der Bürger/innen der Stadt Reinbek an der Entscheidung über die Bebauung des Holzvogtlands?

1. Tragweite der Entscheidung

Die Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlands (auch nur von Teilen davon) ist eine Entscheidung, die das Stadtbild Reinbeks auf Jahrzehnte verändern wird. Wir sind überzeugt: Die Bebauung des Stahmers Acker wäre DER ausschlaggebende Präzedenzfall, der eine großflächige Bebauung der offenen Fläche zwischen diesen Stadtteilen nach sich ziehen wird. Ihre Entscheidung wirkt sich dabei allerdings nicht nur langfristig auf das Stadtbild aus. Vielmehr sind von Ihrer Entscheidung auch Reinbeks Natur, Verkehr, öffentliche Infrastruktur (z.B. Schulen, Kitas) sowie in besonderem Maß die Bürger/innen Reinbeks betroffen.

2. Fehlende Positionierungsmöglichkeit der Reinbeker Bürger/innen bei der letzten Wahl

Die meisten politischen Parteien Reinbeks haben das Thema Bebauung der Freiflächen zwischen Reinbek und Schönningstedt in den letzten Jahren nicht thematisiert, haben keinen Standpunkt in dieser wichtigen Sache in ihren Wahlprogrammen formuliert oder haben diesen nach der Wahl verändert. Für alles mag es gute Gründe geben. Die Folge ist aber: Die Bürger/innen Reinbeks konnten ihren Willen in dieser Angelegenheit bei den letzten Wahlen nicht zum Ausdruck bringen.

3. Orientierung aus dem Grundgesetz

Das Grundgesetz bietet bei schwierigen Entscheidungen Orientierung. In §20 ist geregelt, dass „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“. Im Grundgesetz ist demnach höchstes Vertrauen in die Entscheidungen von Bürger/innen festgeschrieben. Auch Sie sitzen als gewählte Vertreter/innen in der Stadtverordnetenversammlung, weil es diesen Artikel des Grundgesetzes gibt.
Im §21 des Grundgesetzes heißt es zudem „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ – die Politik entscheidet „mit“, aber eben nicht ausschließlich. Dazwischen steht §20a „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere […]“.
Es wirkt fast so, als ob diese drei Artikel des Grundgesetzes mit ihren zentralen Aussagen für die anstehende Entscheidung formuliert wären. Natürlich hat unsere BI Holzvogtland Zutrauen in eine repräsentative Demokratie, und Sie wurden für politische Entscheidungen von den Reinbekern/innen als Vertreter/innen gewählt. Gleichwohl gilt es zu bedenken: In der Gemeindeordnung und in der Kreisordnung des Landes Schleswig-Holstein ist ausdrücklich die Möglichkeit eines Bürgerentscheids geregelt. Dies führt zu der zentralen Frage:

Wann und bei welchen Entscheidungen ist ein Bürgerentscheid angemessen?

Aus unserer Sicht gilt dies bei einer Entscheidung dieser Tragweite (s. 1.), der fehlenden Einflussmöglichkeit durch die Bürger/innen bei der letzten Wahl hierzu (s. 2.) sowie dem Aspekt, dass sowohl zukünftige Generationen als auch natürliche Lebensgrundlagen und Tiere wesentlich betroffen sind, in besonderem Maße.

4. Nachwirkungen der Entscheidung

Keine Entscheidung steht auf einer festeren Basis als eine, die von Bürger/innen selbst getroffen wurde. Denn Menschen wissen durch die eigene Beteiligung, wie das Ergebnis zustande gekommen ist. Die Akzeptanz einer derartigen Entscheidung ist hoch. Wir alle wissen: Keiner ist unfehlbar, auch Stadtverordnete können irren…
Vertrauen in die Politik kann aber gestärkt werden, wenn Sie als Stadtverordnete die Größe haben, eine große Entscheidung den Bürgern/innen zu übertragen, die sie gewählt haben.

Liebe Stadtverordnete,
nutzen Sie die Chance, die Bürger direkt in Form eines Bürgerentscheids mitwirken zu lassen. Diese weitreichende Entscheidung ist keine parteipolitische Entscheidung, sondern eine persönliche Gewissensentscheidung. Der Name eines jeden einzelnen von Ihnen wird zukünftig mit dieser Entscheidung, die Tragweite für Generationen hat und unumkehrbar ist, verbunden bleiben, sollten Sie eine alleinige Entscheidung treffen.
Wir möchten daher alle Stadtverordneten und alle Fraktionen auffordern, bei einer für Reinbek außergewöhnlichen politischen Entscheidung großer Tragweite Vertrauen in die Urteilskraft der eigenen Bürger/innen zu zeigen, ein Zeichen für die Demokratie zu setzen und diese Entscheidung gemeinsam den Reinbekern/innen zu übertragen.

Christina Nikolova-Kleine und Robert Hartl
im Namen der Bürgerinitiative Holzvogtland