Klimafreundliches Wohnen im Holzvogtland?

Immer wieder ist von den Befürwortern und Planern einer Bebauung des Holzvogtlandes zu lesen, „das Gebiet solle nach ökologischen Gesichtspunkten erschlossen werden“, die fünfgeschossigen Wohngebäude sollten „begrünte Dächer“ haben, die Bewohner würden sich alle auf Lastenfahrrädern durch Reinbek bewegen etc… Kurzum ein rundum ökologisches Konzept – mit dem die Befürworter und Investoren ihre Klimafreundlichkeit unter Beweis stellen wollen.

Ein Aspekt wird dabei jedoch gänzlich außer Acht gelassen: Nicht nur geht bei einer Bebauung des Holzvogtlandes wertvolle Grünfläche verloren, nein, jeder Neubau – egal ob mit grünem Dach oder Wärmepumpe ausgestattet – verursacht bereits durch seinen „Herstellungsprozess“ einen enormen negativen CO2-Fußabdruck.

So ist die Baubranche einer der größten CO2-Emittenten der Welt: Insbesondere Zement, der wichtigste globale Baustoff, ohne den fast kein Neubau auskommt, ist sehr energie- und emissionsintensiv.

Die hohen Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Zement entstehen durch zwei Prozesse[1]:

  1. Der Brennvorgang, bei dem das Ausgangsmaterial Kalkstein zu Zementklinker gebrannt wird, wird bei sehr hohen Temperaturen (1.450 °C) durchgeführt, was zu einem hohen Brennstoffverbrauch und damit zu hohen energiebedingten Emissionen führt.
  2. Eine chemische Reaktion beim Brennen führt zu einer Freisetzung von CO2, weil eine Entsäuerung des Kalksteins stattfindet.

Weltweit werden jährlich über 4,6 Milliarden Tonnen Zement verbaut, dessen Herstellungsprozess rund 2,8 Milliarden Tonnen CO2 verursacht. „Das sind fast acht Prozent der weltweiten Emissionen und damit mehr als Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen.“[2]

Wäre die weltweite Zementindustrie ein Staat, so würde sie – was den CO2-Ausstoss angeht – an dritter Stelle hinter den USA und China liegen.[3] Der globale Zement- und Betonbedarf wird Schätzungen zufolge aufgrund von Urbanisierung und Infrastrukturprojekten bis 2050 im Vergleich zu 2014 sogar noch um 12 bis 23 Prozent steigen.[4] In Deutschland wurden im Jahr 2017 allein durch die deutsche Industrie rund 193 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen, davon sind rund 11% der deutschen Zementproduktion anzulasten.[5] Rund 31% des deutschen Zementverbrauchs sind wiederum auf privaten Wohnungsbau zurückzuführen.

Zementverbrauch in Deutschland nach Verwendungsart
Quelle: WWF: Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie

Somit wird deutlich: Der Neubau auf der grünen Wiese – egal wie grün das dahinterstehende (Energie)Konzept sein mag – hat immer unvermeidbar negative Auswirkungen auf das Klima.

Wer sich tiefergehend mit dem Thema beschäftigen möchte, kann sich das folgende Video hierzu anschauen:

https://www.ardmediathek.de/video/sven-ploegers-klimablick/klimakiller-beton-was-sich-aendern-kann-s01-e08/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEzNDMwNTU


[1] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Klimaschutz_in_der_Beton-_und_Zementindustrie_WEB.pdf

[2] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/klimaschutz-klimakiller-beton-so-will-die-deutsche-zementindustrie-co2-neutral-werden-/26652040.html

[3] https://www.chemietechnik.de/energie-utilities/klimabilanz-der-zementindustrie-372.html

[4] https://www.energiezukunft.eu/bauen/zementproduktion-kann-klimafreundlicher-werden/

[5] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_Klimaschutz_in_der_Beton-_und_Zementindustrie_WEB.pdf

Reinbek for Future oder Reinbek zurück in die 80er? (Teil 3)

Starkregen in Reinbek verdeutlicht: Keine Bebauung des Holzvogtlands!

Noch in der Woche vor dem letzten Starkregenereignis in Reinbek, am 02.09.2021, warnte der Reinbeker Gemeindewehrführer Oliver Selke im Umwelt- und Verkehrsausschuss vor der beste-henden Problematik durch Starkregen, Sturm- und Hitzewellen in unserer Stadt. Prompt demons-trierte eine Woche später ein starkes Gewitter (10.09.2021), dass auch in Reinbek heftige Unwette-rereignisse möglich sind.

Oliver Selke berichtete seinerzeit auch im TV-Interview mit dem NDR von Überflutungen im Gewerbegebiet Reinbek-Glinde und vollgelaufenen Kellern:

https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Starkregen-sorgt-fuer-Einsaetze-im-suedlichen-Schleswig-Holstein,starkregen496.html

Bereits jetzt sind der Reinbeker Feuerwehr im Stadtgebiet Punkte und Flächen bekannt, die bei Starkregen besonders gefährdet sind und wo Maßnahmen zu treffen sind, um die Situation zu verbessern. Kurzfristige Maßnahmen seien bspw. die Pflege von Sielen und Gullis und die Vergrößerung der Rohrdurchmesser.

Bei seinem Vortrag im Umweltausschuss berichtete Selke, dass für langfristig wirksame Maßnahmen, die tatsächlich Ursachen von Überflutungen vorbeugen könnten, eine topographische und hydrologische Analyse und Simulationen von Wasserständen notwendig seien, um Überflutungsereignisse und Abflusswege des Wassers tatsächlich zu verstehen und vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Er berichtete, dass im Juni 2021 Neuschönningstedt bei einem anderen Starkregenereignis „komplett abgesoffen“ sei. Das geschehe bereits bei einem Starkregenereignis mit 30-40 l/Std (In Bergedorf gab es bereits Starkregenereignisse mit 60 l/Std). Der Gemeindewehrführer erinnerte auch an das Bille-Hochwasser im Januar 2018. Ursachen seien u.a. eine übermäßige Flächenversiegelung. Die Stadtverwaltung wurde bereits 2019 durch einstimmigen Beschluss des Hauptausschusses aufgefordert, über Vorsorgemaßnahmen bei Extremwetterereignissen in einer zukünftigen Sitzung zu berichten. Der dem Beschluss vorangegangene Antrag warnte schon seinerzeit:

So ist damit zu rechnen, dass Hochwasserlagen der Bille wie im Jahr 2018 auch in Zukunft auftreten werden. Es ist Bestanteil der kommunalen Daseinsvorsorge, für diese Fälle über Notfallpläne zu verfügen und die Folgen von Extremwetter durch geeignete Maßnahmen abzumildern. Das Klimaschutzkonzept der Stadt Reinbek nennt ebenfalls exemplarisch zahlreiche Maßnahmen, wie zum Beispiel die Folgen von Hitzewellen gemildert werden können (siehe Seite 178 ff)“.

Klimaschutzkonzept der Stadt Reinbek (S. 178ff)

Bille-Hochwasser, Vorwerksbusch, Blick auf Wohltorf, 19.2.2022

Der einstimmige Beschluss unterstreicht, dass die Reinbeker Parteien / Kommunalpolitik sich – zumindest theoretisch – seit Jahren bewusst sind, dass auch hier in Reinbek verstärkt mit Extremwetterereignissen gerechnet werden muss.

Auch das Unwetter vom 10. September 2021 verdeutlicht: Es ist an der Zeit, dass die Wichtigkeit und Dringlichkeit erkannt wird, in Reinbek Maßnahmen umzusetzen, um die Stadt und die Menschen hier auf den stattfindenden Klimawandel vorzubereiten. Eine großflächige Versiegelung von Ackerflächen – wie durch die geplante Bebauung des Holzvogtlands angestrebt – ist allerdings der falsche Weg. Denn derartige Freiflächen werden schon jetzt benötigt, damit bei Starkregen das Wasser versickern kann.

Das Umweltbundesamt schreibt zu den ökologischen Auswirkungen von Bodenversiegelungen:

„Eine übermäßige Bodenversiegelung hat unmittelbare Auswirkungen auf den Wasserhaushalt: Zum einen kann Regenwasser weniger gut versickern und die Grundwasservorräte auffüllen, zum anderen steigt das Risiko, dass bei starken Regenfällen die Kanalisation oder die Vorfluter die ober-flächlich abfließenden Wassermassen nicht fassen können und es somit zu örtlichen Über-schwemmungen kommt.“

https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung#okologische-auswirkungen

Derweil sind auch in den Reinbeker Wäldern deutliche Spuren des Unwetters zu sehen.

Sturmschäden, Vorwerksbusch, Reinbek, 19.2.2022

Fazit

Schon jetzt liegt Reinbek mit seinem Versiegelungsgrad über dem landesweiten Durchschnitt. Die Bebauung auch nur eines Teils des Holzvogtlandes würde die Versiegelung Reinbeks ohne Not weiter vorantreiben und konkret die Situation in Reinbek für ein ausgeglicheneres Mikroklima und Überschwemmungen durch Starkregenereignisse verschlechtern.

Reinbek for Future oder Reinbek zurück in die 80er? (Teil 2)

Das Holzvogtland und das Klima in Reinbek

Aufgrund der Vielzahl positiver ökologischer Wirkungen tritt die Bürgerinitiative Holzvogtland für das Ziel an, das Holzvogtland als Freifläche zwischen den Stadteilen zu erhalten und vor Versiegelung zu schützen. Das offene Holzvogtland ist nicht nur prägender und oft zitierter Bestandteil des städtebaulichen Charakters Reinbeks als „Stadt im Grünen“. Das Holzvogtland bietet eine Vielzahl wichtiger Umweltleistungen, die für die Stadt Reinbek unverzichtbar sind, die sich nicht ersetzen lassen und von denen alle Reinbekerinnen und Reinbeker profitieren. Insbesondere für den Erhalt des Mikroklimas unserer Stadt sind diese Flächen unverzichtbar, denn sie tragen unmittelbar zur Abmilderung von Extremwetterereignissen bei. Die Freiflächen sind unabdingbar wichtig

• für die Entstehung und Zufuhr von Kaltluft bei Hitze sowie
• als Versickerungsflächen bei Starkregen

Darüber hinaus bieten die Flächen folgende Umweltdienstleistungen:

• ihre Böden speichern und binden die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas
• ihre Böden speichern Wasser und kühlen damit die Umgebung
• die Ressource Boden ist auch in Reinbek begrenzt und nicht vermehrbar, weshalb wir zu behutsamen und sparsamen Umgang aufgefordert sind
• Lebensraum für Pflanzen und Tiere
• Ackerflächen zur Nahrungsmittelproduktion
• Spazier- und Radwege zur Verbindung und Erholung zwischen den Stadteilen Prahlsdorf und Schönningstedt

Anstatt weitere Flächen und Böden im Außenbereich der Stadt zu versiegeln, muss in Erwartung extremer Wetterereignisse darüber nachgedacht werden, wo Flächen wieder entsiegelt werden können und wie wir die zur Verfügung stehenden Flächen aufwerten können. Das könnte z.B. durch das Pflanzen von Hecken und Gehölzen gemacht werden.

Offene Flächen zwischen den Stadtteilen, innerstädtische Grünflächen und Beschattung durch Bäume und Hecken müssen daher einen völlig neuen, vorrangigen Stellenwert in der Stadt- und Bauplanung Reinbeks erhalten.

Extremwetterereignisse

Das 2017 von der Reinbeker Stadtverordnetenversammlung verabschiedete Integrierte Klimaschutzkonzept benennt zahlreiche Maßnahmen, wie die Folgen extremen Wetters abzumildern sind, und macht deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur Reinbeks Grün- und Freiflächen zu erhalten und gezielt zu erweitern, sondern darüber hinaus versiegelte Flächen wieder zu entsiegeln und Möglichkeiten zu zusätzlichen Begrünungen zu prüfen und umzusetzen.

An die Adresse der Stadtverwaltung wird im Reinbeker Klimaschutzkonzept eindringlich formuliert (S. 178f):

„Die zunehmende Hitzebelastung im Sommer sowie die sich häufenden Starkregenereignisse stellen die urbane Bevölkerung vermehrt vor Probleme und verursachen z.T. hohe Sachschäden. Aufgrund der durch die dichte Bebauung eingeschränkten Luftzirkulation sowie der stärkeren Aufheizung bzw. verminderten Versickerungsfähigkeit versiegelter Flächen ist es daher dringend erforderlich, dass kommunale Verwaltungen der Erhaltung sowie Anlage städtischer Grünflächen zukünftig eine hohe Priorität einräumen.“

Reinbeker Klimaschutzkonzept (S. 178f)

Zustimmend wird hier das Umweltbundesamt zitiert:

„Größere zusammenhängende Flächen können als klimatisch entlastende Strukturen dienen, indem sie den Transport von kühlerer Luft in den Stadtkörper hinein ermöglichen und auf diese Weise als Kaltluftbahnen dienen. (…) Die Herausforderung besteht darin, eine kompakte Stadt der kurzen Wege zu schaffen, die für Energieeinsparung und Klimaschutz besonders vorteilhaft ist. Es sollten deshalb Stadtstrukturen geschaffen und erhalten werden, die begrünen und kühlen können, so dass die Stadt auch in Hitzeperioden eine hohe Lebensqualität aufweist”

UBA (2013): Natur in der Stadt. Städtische Grünflächen und -räume. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/364/publikationen/kompass_themenblatt_natur_stadt_2015_net.pdf

Diese Aussagen definieren den Weg für Reinbek und unterstreichen die kontinuierliche Handlungsverpflichtung der Stadt durch Bürgermeister, Stadtverwaltung und Kommunalpolitik. Es bleibt zu hoffen, dass die Reinbeker Entscheidungsträger die bereits vor fünf Jahren gefassten Beschlüsse endlich ernst nehmen und zum Maßstab ihres Handelns machen.

Externer Faktencheck

Unter der Überschrift „Ist dem Bürger das Begehren zu verwehren?“ haben die Macher des Blogs „Zukunft!Reinbek“ viele Fragen aus den Diskussionen über das Schicksal des Holzvogtlands aufgegriffen und faktenbasiert beantwortet. Wer schon immer wissen wollte, ob „Bewahrer eines Stadtbilds Zukunftsverweigerer“ sind (Nein), warum es sozial ist, gegen eine Bebauung zu stimmen oder ob die BI Holzvogtland „frech“ ist, findet im Blog die richtigen Antworten auf die entsprechenden Fragen.

Hier geht es zum Artikel:

Reinbek for Future oder Reinbek zurück in die 80er? (Teil 1)

Reinbeks Klimaschutzkonzept – ein guter Aufschlag, den man ernstnehmen muss!!

  „Eine Gesellschaft wächst über sich hinaus, wenn alte Menschen beginnen, Bäume zu pflanzen, in deren Schatten sie selbst nicht mehr sitzen werden.“ (Rabindranath Tagore)

Die Entscheidungen, die wir heute für unsere Stadt Reinbek treffen, haben nicht nur direkten Einfluss auf unsere eigene Lebenswirklichkeit, sondern vor allem auf die Zukunft und die Lebensqualität unserer Kinder.

Wir brauchen ein neues Verständnis für die Wirklichkeit, in der wir bereits heute leben, ein neues Verständnis unserer Umwelt, an der wir unser Handeln ausrichten müssen. Die wissenschaftlichen Fakten liegen dabei klar auf der Hand: Der aktuell im März 2022 erschienene IPCC Bericht[1] warnt, dass die 1.5 Grad Erderwärmung bereits im Jahr 2030 erreicht sein wird – 10 Jahre früher, als bisher angenommen. Die im IPCC Bericht zusammen getragene Faktenlage macht unmissverständlich klar: Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit, er findet jetzt statt und betrifft jeden Einzelnen. Dies bedeutet auch: Jeder kann mit seinen Entscheidungen vor Ort dazu beitragen, die Klimaerwärmung abzumildern und Reinbek auf diese veränderte Wirklichkeit vorzubereiten.

Es ist eben auch vor der eigenen Haustür nicht zu übersehen: Stürme, Starkregen und Hitzewellen treten immer häufiger und stärker auf. Das haben wir gerade wieder durch die Sturm- und Starkregenereignisse im Februar diesen Jahres erlebt, aber auch in den zurückliegenden Jahren, wir erinnern uns z.B. an die Bille-Hochwasser im Januar 2018 und September 2021. Reinbeks Gemeindewehrführer Reinbeks Oliver Selke berichtete dazu schon dem Umwelt- und Verkehrsausschuss unter dem Agendapunkt  „Katastrophenvorsorge und -schutz durch Extremwetterereignisse“  und wies dabei eindringlich auf die bestehende Problematik durch Starkregen, Sturm- und Hitzewellen hin.

Bille-Hochwasser

Wir müssen beginnen, unsere Stadt Reinbek in dieser sich rasch verändernden Realität und Lebensumwelt zu verstehen. Klimawandel ist kein Zeitgeist-Thema, der Klimawandel ist da und bleibt. Wie vorausschauend die Entscheidungen sind, die wir heute treffen, bestimmt, wie gut Reinbek auf die veränderte Umwelt vorbereitet ist.

In dieser neuen Wirklichkeit ist es unabdingbar, dass Bauprojekte immer unter dem Aspekt der Klimaverträglichkeit betrachtet werden. Nicht umsonst wurde 2011 die Klimaschutzklausel im Baugesetzbuch eingeführt, um die Belange des Klimaschutzes in den Planungsleitsätzen und bauleitplanerischen Grundsätzen zu verankern. Der neu gefasste § 1 V 2 BauGB bestimmt nunmehr, dass die Bauleitpläne dazu beitragen sollen, „eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern“.

Das von allen politischen Fraktionen in Reinbek 2017 verabschiedete Integrierte Reinbeker Klimaschutzkonzept² könnte als Grundlage dienen, um in Reinbek zu einer verantwortbaren klimaschonenden Siedlungsentwicklung zu kommen. Allen Maßnahmen voran steht die Verringerung der Flächeninanspruchnahme (S. 172):


Das Reinbeker Klimaschutzkonzept sieht dabei für eine „klimaschonende Siedlungsentwicklung“ vor, dass „Innenentwicklung Vorrang gegeben werden“ und die Flächeninanspruchnahme reduziert werden solle (S. 173), und spricht die Empfehlung aus, „die Untersuchung der Innenentwicklungspotenziale im Rahmen des Wohnbauflächenprogramms (Teile 3 und 4) zügig abzuschließen.“

Bevölkerungswachstum und Wohnungsbau in Reinbek

Verfolgt man aber das Thema Klimaschutz in Reinbeks Kommunalpolitik und Stadtverwaltung in den letzten Jahren, dann fragt man sich unwillkürlich, ob wir eigentlich immer noch im Jahr 1980 leben. Die Denk- und Handlungsweise vieler Kommunalpolitiker und bei Vertretern der Stadtverwaltung scheint nach wie vor in den Wachstums-Stereotypen des letzten Jahrhunderts festgefahren zu sein.

Trotz eindeutiger Faktenlage zum Klimawandel und wöchentlicher Demonstrationen im Zuge der Fridays for Future Bewegung wurde in Reinbek seit der Verabschiedung des Klimaschutzkonzeptes im Jahr 2017 kaum ein konkreter Fortschritt in Sachen Klimaschutz erzielt. Das Gegenteil ist der Fall. Von Investoren initiierte Großbauprojekte im Innen- und Außenbereich wurden realisiert oder sind in Planung und erfahren dabei eine breite Unterstützung durch Teile der Kommunalpolitik, aber auch unseres Bürgermeisters und von Vertretern in der Stadtverwaltung. Mantrahaft werden dabei immer wieder die Totschlagargumente „Wohnungsnot“ und „bezahlbarer Wohnraum“ bemüht.

Sofort wird reflexhaft nach noch mehr Neubausiedlungen im Außenbereich gerufen. Aufwendig erstellte Analysen, die sorgfältig das Für und Wider und die Folgen solcher Großbauprojekte untersuchen, werden ignoriert. Ein Dialog, ein konstruktiver Austausch von Argumenten findet nicht statt, es wird lieber an den eigenen stereotypen Denkmustern festgehalten.

Bürgerinneninitiativen, die sich mit guten Argumenten für den Erhalt und Schutz vorhandener Freiflächen und grünen Strukturen einsetzen, wird vorgeworfen, unsozial zu handeln und sich der Zukunft in den Weg zu stellen. Gleichzeitig werden die Argumente der Investoren kritiklos übernommen. Es wird dabei verschwiegen, dass

  • immer mehr geförderter Wohnraum in Reinbeks aus der Sozialbindung fällt und sich in der Stadtverwaltung nicht mit diesem Thema beschäftigt wird
  • die große Nachfrage nach Wohnraum in Reinbek nicht aus Reinbek selbst kommt, denn dort sterben mehr Menschen als geboren werden
  • jährlich Wohnraum frei wird
  • Reinbeks Bevölkerung seit dem Jahr 2000 im überregionalen Vergleich bereits überproportional wächst

Man muss sich also fragen: Wem außer den Investoren nutzt ein weiterer Bevölkerungsanstieg Reinbeks? Braucht Reinbek wirklich die Ausweisung neuer Baugebiete im Stile der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts? Ist es nicht vielmehr zeitgemäß, sorgfältig den  Gebäude- und Wohnungsbestand zu analysieren, den Leerstand und Sanierungsbedarf zu erfassen und so über eine neue Nutzung vorhandener Gebäude wirksam den CO2-Ausstoss und die Flächenversiegelung zu verringern?

[1] IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change. Climate Change 2022. Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers (March 2022) https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/downloads/report/IPCC_AR6_WGII_FinalDraft_FullReport.pdf