Ein Bürgerentscheid als demokratischer Endpunkt eines breiten Bürgerdialogs

Leserbrief erschien in der Ausgabe vom 17. Mai 2021 auf S. 25 (2021-05-17.pdf (derreinbeker.de)

Betr.: Thema Holzvogtland, Leserbrief Roderich Ziehm, DR v. 3.5.2021, S. 18

Herr Ziehm meint, ein Bürgerentscheid wäre ein „Schlag gegen alle demokratisch gewählten Parteien“. Richtig ist, dass die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein ausdrücklich die Möglichkeit des Bürgerentscheids vorsieht, ganz bewusst also die repräsentative Demokratie um ein direktdemokratisches Element ergänzt. Da keine derzeit in der Stadtverordnetenversammlung vertretene Partei vor der letzten Kommunalwahl angekündigt hat, einen derart schweren Eingriff in das Landschaftsbild, die Infrastruktur und die Ökologie Reinbeks vorzunehmen, wie dies mit der Bebauung des Holzvogtlandes verbunden ist, kann auch keine Partei behaupten, eine demokratische Legitimation für eine Besiedlung des Holzvogtlandes zu haben. Vielmehr ist hier der Souverän, also das Volk, zu fragen.

Herr Ziehm schreibt, Reinbek benötige bezahlbaren Wohnraum, und befürchtet, „gut betuchte Bürger“ würden diesen Bedarf bei einem Bürgerentscheid durch „Anzeigen, Plakate oder Flyer“ aushebeln. Wer die derzeitige Situation in Reinbek betrachtet, muss feststellen, dass es die an einer optimalen Rendite interessierten Investoren sind, die durch eine gut orchestrierte Medienkampagne versuchen, für ihr Bauvorhaben Stimmung zu machen. Beim Bürgerentscheid 1999 spielte Geld bei der Meinungsbildung keine Rolle. Natürlich benötigt Reinbek gerade für sozial Schwächere bezahlbaren Wohnraum. Allerdings gibt es in der Stadt genügend Flächen, wo dieser Reinbeker Bedarf dezentral gestillt werden kann, ohne massiv in das Stadtbild einzugreifen, die vorhandene Infrastruktur zu überlasten, den städtischen Haushalt unnötig zu belasten und die verbindlichen Klimaschutzziele aufzugeben. Es gibt keinen Grund, sich hier von Großsiedlungsplanungen gewinnorientierter Investoren abhängig zu machen.

Herr Ziehm befürchtet, ein Bürgerentscheid wäre nicht repräsentativ und zudem für die Stadt sehr teuer. Beide Befürchtungen bestehen zu Unrecht: Bei dem Bürgerentscheid 1999 beteiligten sich mehr als 50% der Abstimmungsberechtigten. Um eine möglichst hohe Beteiligung zu erreichen und zugleich die Kosten zu minimieren, schlagen wir – wie auch andere politische Akteure in Reinbek – vor, den Bürgerentscheid zum Holzvogtland zeitgleich mit den Wahlen zum Bundestag Ende September 2021 oder zum Landtag 2022 durchzuführen.

Unser Vorschlag: Lassen Sie uns das Für und Wider einer Bebauung des Holzvogtlandes sachlich und unter Berücksichtigung aller Argumente unter Beteiligung möglichst vieler Reinbekerinnen und Reinbeker in einem transparenten Bürgerdialog, unterstützt von den lokalen Medien, diskutieren und diese Frage dann demokratisch durch einen Bürgerentscheid klären!

Andrea Bachstein-Unglaube
Dr. Ulrich Fritz
Tomas Unglaube

Leserbrief ans Abendblatt zu „Zoff in Reinbeks SPD: Jetzt spricht der Parteichef“

Leserbrief zu „Zoff in Reinbeks SPD: Jetzt spricht der Parteichef“, in: Hamburger Abendblatt, 17. April 2021

Es ist verständlich, dass der amtierende SPD-Ortsvereinsvorsitzende Gerd Prüfer bemüht ist, im Zusammenhang mit der 180-Grad-Wende in der Frage der Bebauung des Holzvogtlands in Reinbek den Vorwurf wegzureden, die SPD halte sich nicht an ein zentrales Wahlversprechen von 2018. Die Tatsachen widersprechen ihm aber: Im Wahlprogramm der Reinbeker SPD von 2018 steht unmissverständlich im Zusammenhang mit der Schaffung von neuem Wohnraum: „[…] großflächige Siedlungsgebiete lehnen wir ab“. Am 19. 3. 2021 betont die SPD selbst auf ihrer Internet-Seite, sie sei dazu gekommen, „die Position zu großflächigen Wohnbauflächen aus dem Wahlprogramm von 2018 zu überdenken“. Die SPD-Fraktion tut gut daran, sich angesichts ihres Kurswechsels an die Spitze der Befürworter eines Bürgerentscheids zu stellen; einen Wählerauftrag kann sie in dieser Frage jedenfalls nicht reklamieren, im Gegenteil.

Dass Reinbek insbesondere für sozial Schwächere zusätzlichen Wohnraum benötigt, ist richtig. Allerdings ist dies keine sinnvolle Begründung für die geplante Bebauung des Holzvogtlandes. Diese Besiedlung widerspricht dem Klimaschutzkonzept und belastet den städtischen Haushalt mit erheblichen Folgekosten für neue Infrastrukturmaßnahmen; seriöse Berechnungen gehen davon aus, dass die Investitionskosten die zusätzlichen Einnahmen durch Steuern etwa um das Vierfache übertreffen. Reinbek verfügt über genügend kleine Flächen, auf denen die erforderlichen neuen Wohngebäude errichtet werden können, ohne massiv in Reinbeks Landschaftsbild, Ökologie und Finanzen einzugreifen.

Geradezu rührend wirkt der Hinweis von Gerd Prüfer, man wolle „ein Naherholungsgebiet samt Wald am Festplatz neben dem Einkaufszentrum“ schaffen, „eine zweite Wildkoppel“. Die Wildkoppel umfasst knapp sechs Hektar, also mehr als die Fläche, die die Herren Dusenschön und Krieger in einem ersten Schritt bebauen wollen; ihr prägender Baumbestand ist teilweise knapp 300 Jahre alt. Es ist kaum vorstellbar, dass einer der an der Bebauung des Holzvogtlandes interessierten Investoren auf seine Pläne zugunsten eines Stadtwaldes verzichtet, damit andere Investoren leichter die Zustimmung für ihre Besiedlungspläne erhalten. Diese argumentative Nebelkerze sollte schnellstmöglich wieder eingesammelt werden.

Andrea Bachstein-Unglaube
Dr. Ulrich Fritz
Tomas Unglaube

Entscheidung über die Bebauung des Holzvogtlands durch einen Bürgerentscheid

Offener Brief an die Stadtverordneten der Stadt Reinbek vom 11. April 2021

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe (ehemalige) Kolleginnen und Kollegen!

Wie Sie wissen, wird in Reinbek vermutlich noch in diesem Jahr zu entscheiden sein, ob die derzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche zwischen Alt-Reinbek und Schönningstedt, also das sog. Holzvogtland, durch eine Großsiedlung bebaut werden soll. Auch wenn derzeit nur für den südlichen Teil des Holzvogtlandes, den sog. Stahmer’schen Acker, durch Investoren konkrete Pläne veröffentlicht sind, ist bekannt, dass auch für die übrigen Teile des Holzvogtlandes Bebauungsplanungen bestehen; die dortigen Investoren warten lediglich, wie die öffentliche Diskussion über den Stahmer’schen Acker verläuft.

Die Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein kennt den Bürgerentscheid als Instrument der demokratischen Willensbildung. Üblicherweise wählen Bürgerinnen und
Bürger diesen Weg, um sich gegen unliebsame Entscheidungen der Gemeinde- und Stadtvertretungen zu wehren. Die Gemeindeordnung sieht aber ausdrücklich auch vor, dass die Stadtverordnetenversammlung selbst einen Bürgerentscheid initiieren kann (siehe § 16g Absatz 1 der GemO SH). Wir appellieren an Sie, bei der Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlandes diesen Weg zu gehen und das Votum der Reinbekerinnen und Reinbeker, also des eigentlichen Souveräns, einzuholen.

Mit der Entscheidung über das Bauvorhaben zum südlichen Holzvogtland wird grundsätzlich und nicht revidierbar über das Landschaftsbild unserer Stadt entschieden. Mit der Bebauung der Freiflächen zwischen den Stadtteilen Prahlsdorf und Schönningstedt wird der Charakter Reinbeks als Stadt im Grünen grundlegend verändert. Dies könnte man angesichts des Wohnungsmangels in der Metropolregion Hamburg, für die Reinbek nicht die Verantwortung trägt und nicht tragen kann, für sinnvoll halten. Vergessen und verdrängt wird jedoch, dass Reinbek ein verpflichtendes Umwelt- und Klimaschutzkonzept entwickelt hat, das dem Ansinnen der Bebauung des Holzvogtlandes klar entgegensteht. Nur durch die Einhaltung einer solchen Verpflichtung kann eine umweltbewusste und moderate Stadtentwicklung Reinbeks erfolgen. Das Für und Wider wird in Reinbek seit mehr als zwanzig Jahren diskutiert; es dürfte nur wenige Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt geben, die sich mit diesem Thema nicht bereits befasst haben.

Wir sind der festen Überzeugung, dass angesichts der weitreichenden Bedeutung, die die Entscheidung über eine Bebauung des Holzvogtlandes für die Zukunft Reinbeks hat, diese Entscheidung durch einen Bürgerentscheid herbeigeführt werden sollte. Als grundsätzliche Befürworter einer repräsentativen Demokratie und langjährige Kommunalpolitiker wissen wir um die Versuchung, sich selbst als Stadtverordnete oder Stadtverordneter mehr Entscheidungskompetenz zuzuschreiben als den ‚einfachen‘ Bürgerinnen und Bürgern. Allerdings geht es hier nicht um einen Beschluss, der umfassendes Detailwissen voraussetzt, sondern um einen Grundsatzbeschluss zum Reinbeker Landschaftsbild.

Wir appellieren an Sie: Nehmen Sie Ihre Wählerinnen und Wähler als politische Subjekte ernst und ermöglichen Sie den Reinbeker Bürgerinnen und Bürgern, über die Bebauung des Holzvogtlandes zu entscheiden. Dieser Bürgerentscheid könnte zeitgleich mit den Bundestagswahlen im September 2021 oder den Landtagswahlen 2022 stattfinden, so dass eine repräsentative Zahl von Reinbekerinnen und Reinbekern hieran teilnähme. Bis zu diesem Tag bleibt genügend Zeit, um alle Interessierten umfassend und detailliert über das Für und Wider einer Holzvogtland-Bebauung zu informieren.

Mit freundlichem Gruß

Andrea Bachstein-Unglaube
Professor Dr. Andreas Fleischer
Dr. Ulrich Fritz
Tomas Unglaube

Selbstverpflichtende Konzepte, vertragliche Bündnisse und das Stadtleitbild geben Reinbek die Richtung vor


Leserbrief erschien in der Ausgabe vom 8. Februar 2021 auf S. 18 / 2021-02-08.pdf (derreinbeker.de)

Die Reinbeker CDU befürwortet die Bebauung des Holzvogtlandes und wünscht sich eine faktenbasierte Debatte. Selbst führt sie immer wieder den »Stadtcheck« ins Feld, wonach das Holzvogtland zum Teil eine Potenzialfläche wäre, wo sich der Bürger – so deutet es die CDU – eine Bebauung vorstellen könne.

Wie belastbar ist jedoch ein solcher »Stadtcheck«, wenn es sich um eine anonyme Befragung handelt? Jeder – egal ob Reinbeker Bürger oder auswärtiger Investor – konnte so häufig er wollte, an der Befragung teilnehmen. Kann das Grundlage für eine faktenbasierte Argumentation sein?

Viel entscheidender für eine faktenbasierte Debatte sind die selbstverpflichtenden Konzepte, die die Stadt Reinbek sich auferlegt hat, wie Klimaschutzkonzept und Stadtleitbild, sowie die vertraglichen Verbindungen, die Reinbek eingegangen ist, wie die Mitgliedschaft im »Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen« sowie das Bündnis »Mittelzentrum«.

Laut Reinbeker Klimaschutzkonzept soll in Reinbek im Vergleichshorizont 2014-2050 eine Reduktion des CO² Ausstosses um 60% erreicht werden – diesem Ziel haben alle Reinbeker Parteien zugestimmt. Laut Klimaschutzbericht wird in Reinbek rund die Hälfte des ermittelten CO²-Ausstosses durch private Haushalte und Verkehr verursacht, was einem ermittelten Pro-Kopf Verbrauch von 8,4t CO² pro Jahr pro Reinbeker Bürger entspricht. Der Klimaschutzbericht schließt mit dem Fazit, dass das Ziel für Reinbek – eine Reduktion des CO²-Ausstoßes um 60% erreicht werden kann, wenn alle Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes erfolgreich umgesetzt werden. Der Klimaschutzbericht verweist jedoch darauf, dass der Bau von Neubaugebieten nicht berücksichtigt ist. Wie soll also dieses Ziel erreicht werden, wenn das Holzvogtland versiegelt wird, somit CO²-bindende Grünfläche verloren geht und gleichzeitig unzählige Wohneinheiten neu hinzu kommen?

Das Stadtleitbild, dem ebenfalls alle Reinbeker Parteien zugestimmt haben, verweist darauf, dass die »Innenentwicklung Priorität vor Neuausweisungen« hat. Weiter heißt es, dass die »Freiflächen zwischen Schönningstedt und Alt-Reinbek als Zukunftsoption verstanden werden« – »über ihre bauliche Nutzung und die Art der Nutzung wird entschieden, wenn dafür ein nachgewiesener Bedarf erkannt wird«.

Wurden die Innenentwicklungspotenziale überhaupt analysiert? Konnte ein
Bedarf für die Bebauung des Holzvogtlandes nachgewiesen werden?

Gemäß Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein ist es Reinbek freigestellt, ob es wachsen möchte oder nicht – das Land Schleswig-Holstein schreibt ein Wachstum Reinbeks also ausdrücklich nicht vor. Auch der Kreis Stormarn sagt Reinbek in seiner »Fortschreibung der kleinräumigen Bevölkerungsprognose« lediglich ein marginales Wachstum voraus und begründet dies mit dem im Stormarner Vergleich in Reinbek sehr hohen Altersdurchschnitt, der zu einer hohen natürlichen Fluktuation führen wird. So wird der Hauptbedarf an neuen Wohnungen vorrangig an anderen Orten in Stormarn gesehen. So benennt die Prognose explizit, dass in Reinbek »von einem eher unterdurchschnittlichen Zuwachs« der Zahl der Privathaushalte auszugehen ist, da insbesondere aufgrund der bestehenden Alterspyramide in Reinbek bereits überdurchschnittlich viele kleine Haushalte existieren.

Weder der Kreis Stormarn noch das Land SH melden also für Reinbek einen Wachstumsbedarf an.

Warum soll jetzt also die Reinbeker Verwaltung im Zusammenspiel mit einer Handvoll Reinbeker Politiker allein über die weitere Entwicklung der Stadt entscheiden?

Weder Verwaltung noch Politik haben bislang einen zahlen- und faktenbasierten
Nachweis erbracht, dass für die Bebauung des Holzvogtlandes ein Bedarf besteht.
Bislang hört man einzig die pauschale Aussage »Reinbek braucht bezahlbaren
Wohnraum«. Was heißt aber eigentlich »bezahlbarer Wohnraum«, und für wen soll dieser geschaffen werden? Für den Reinbeker Bürger? Für die zuziehenden Hamburger? Weder Bürgermeister Warmer noch CDU-Bürgervorsteher Kölsch, die mit dieser konkreten Frage in der kommunalpolitischen Fragestunde konfrontiert wurden, konnten den Begriff bezahlbarer Wohnraum« definieren und eine angestrebte Größenordnung benennen. Und das, obwohl sie kurze Zeit zuvor den Armutsbericht präsentiert hatten. Wie kann man jedoch mit der Nachfrage nach »bezahlbarem Wohnraum« argumentieren, wenn man weder in der Lage ist, eine Definition noch eine zahlenmäßige Bewertung zu liefern? Jeder ist für »bezahlbaren Wohnraum«. Nur wird jeder, je nach seinem persönlichen sozialen Status und Bedarf, ein eigenes Verständnis davon haben, was bezahlbar ist oder nicht. Ist ein solcher Begriff, der grundsätzlich für jeden positiv belegt ist, nicht klar definiert, birgt das immer die Gefahr, dass er durch Pauschalierung missbraucht wird – durch Verwaltung, Politik und Investoren. Argumentiert man also mit dem Bedarf nach »bezahlbarem Wohnraum«, dann sollte man auch klar benennen, was man hierunter versteht. Auf kommunaler Ebene sollte die Definition eines solchen Begriffes durchaus möglich sein.

Hat man jedoch die Devise ausgegeben, »bezahlbaren Wohnraum« schaffen zu wollen, ist es nicht nachzuvollziehen, warum man einzelnen Investoren Exklusivität garantiert: Reinbek ist Mitglied im »Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen«, dem die zugehörigen Städte potenzielle Wohnbauflächen melden können und im Gegenzug Angebote der beteiligten Wohnungsunternehmen erhalten. Wettbewerb führt unweigerlich zu einer besseren Verhandlungsposition der Stadt. Reinbek hat nach Aussage von Herrn Warmer diesem Bündnis aktuell keine potenzielle Wohnbaufläche gemeldet – stattdessen gewährt man Investoren Exklusivität und lässt sich von ihnen unter Druck setzen, anstatt seine eigene Verhandlungsposition auszuspielen. Auch wenn Reinbek nicht Eigentümer dieser Flächen ist, so hat die Reinbeker Politik doch die Entscheidungshoheit darüber, ob aus Ackerflächen Bauland wird und sollte sich nicht von Investoren durch die Manege führen lassen, wie es momentan rund um den Stahmers Acker den Anschein erweckt.

Immer wieder werden – wie auch im Artikel der CDU – moralische Aspekte in den Vordergrund gestellt, um Neubauvorhaben zu legitimieren. Senioren, Auszubildende, Ehrenamtler, junge Familien und Arbeitnehmer Reinbeker Firmen – sie alle könnten nicht mehr in Reinbek leben, wenn kein neuer Wohnraum geschaffen werde. Reinbeker Firmen würden zusammenbrechen, das Ehrenamt werde zum Erliegen kommen, so die Argumentation. Jeder, der sich also gegen die Bebauung ausspricht, wird unweigerlich in eine unsoziale Ecke gedrängt. Was jedoch hat eine ehrenamtliche Tätigkeit mit sozialem Status zu tun?

Moralische Bedenken scheinen die Akteure aus Verwaltung, Politik und Investoren aber nicht immer zu haben: In den »Leitlinien Wohnen« des Mittelzentrums Reinbek – Glinde – Wentorf, denen die Reinbeker Stadtverordnetenversammlung bereits vor Jahren zugestimmt hat, ist festgelegt, dass bei der Neuausweisung von Wohngebieten 30% der Wohnungen öffentlich gefördert sein sollen. Im Neubaugebiet »Schröders Koppel« waren es gerade einmal 12%. Dieses wurde vom selben Investor gebaut, der nun den Stahmers Acker versiegeln möchte und in zahlreichen Marketingartikeln und beispielloser Lobbyarbeit den Reinbeker Bürger von dem sozialen Aspekt seines Projektes überzeugen möchte. Warum haben sich die handelnden Akteure dann nicht bereits beim Bauvorhaben Schröders Koppel an die Vorgaben des Mittelzentrums gehalten und halten stattdessen nun die eigenen Versäumnisse dem sozialen Gewissen der Reinbeker Bürger vor? Der Glaubwürdigkeit ihrer hehren Ziele ist dies nicht unbedingt dienlich.

Lena Einecke

Der »Stadtcheck« suggeriert Genauigkeit und belastbare Informationen. Das Gegenteil ist der Fall.

Leserbrief erschien in der Ausgabe vom 8. Februar 2021 auf S. 18 / 2021-02-08.pdf (derreinbeker.de)

Es ist sehr zu begrüßen, dass Frau Pfeiffer eine ehrliche, faktenbasierte Debatte wünscht, die alle Seiten der Medaille beleuchtet, ob eine Bebauung des Holzvogtlands wirklich notwendig ist. Allerdings scheint sie selbst offensichtlich zu den von ihr kritisierten »Akteuren[, die] nur die Informationen verbreiten, die ihnen passen«, zu gehören. Um den komplexen Sachverhalt angemessen aufzubereiten, gehören u.a. die folgenden Fakten in die Diskussion:

1. Die CDU Reinbek feiert seit Jahren ihr Sommerfest auf dem »Hof Dusenschön«. Ein wichtiger Fakt, um mögliche Interessenkonflikte und Befangenheiten bewerten zu können.

2. Wenn Frau Pfeiffer mit Bezug auf den »Stadtcheck« schreibt, dass sich Bürger bei einem Teil des Holzvogtlands eine Bebauung vorstellen könnten, so erscheint die faktische Fundierung dieser Argumentation mehr als zweifelhaft: Der »Stadtcheck« ist keine (!) repräsentative Befragung der Reinbeker Bürger. So waren beispielsweise Mehrfachbeteiligungen an der Umfrage ebenso wenig ausgeschlossen, wie die Beteiligung von anderen als Reinbeker Bürgern. Schaut man sich die Ergebnisse im Detail an, so reichten zudem bereits minimale 10 Nennungen, um Flächen als »Potenzialflächen« im Sinne einer möglichen Bebauung zu markieren.

3. Zudem kann jeder selbst beurteilen, welche wirklich belastbaren Fakten ein Stadt-Check-Fragebogen produziert, der bereits eine einfache Information wie das Lebensalter mit Antwortkategorien wie 18 bis 25 Jahre und 25 bis 35 Jahre erfasst – Welche Alternative soll der 25-jährige ankreuzen? Anderes Beispiel: Die Frage »Was ist Ihnen in Ihrem Wohnumfeld besonders wichtig?« bietet u.a. die Antwortoptionen »Grün- und Freiflächen«. So werden Grünflächen mit Freiflächen gleichgesetzt, zu denen »teilweise auch versiegelte, aber nicht bebaute Flächen gezählt« werden. Der Bürger wünscht sich die Grünfläche, die Politik schafft den Parkplatz. So lassen sich Fakten im Sinne des Fragebogens schaffen. Zur selben Frage gibt es die Antwortoption »leistungsfähige Straßen«. Wer wünscht sich schon Straßen, die nicht leistungsfähig sind? Keiner. Leider bleiben die wesentlichen Informationen unberücksichtigt: Wünscht sich der Reinbeker Bürger mehr Straßen oder weniger Straßen? Breitere, schnellere, langsamere Straßen? Mehr Tempo-30-Zonen? Straßen für Autos oder Fahrräder? usw. Fakt ist: Der »Stadtcheck« suggeriert Genauigkeit und belastbare Informationen. Das Gegenteil ist der Fall. Mit derartigen Fragemethoden werden Ergebnisse produziert, die jeder in seinem Sinn auslegen und für die eigenen politischen Zwecke instrumentalisieren kann.

4. Fakt ist auch: Die Ergebnisse und Dokumente zum »Stadtcheck« sind nicht vollständig im Internet abzurufen, obwohl auf der von der Stadt Reinbek betriebenen Seite www.reinbek-im-dialog.de formuliert wird: »Auf der folgenden Seite finden Sie alle [!] Informationen und Ergebnisse zu dem 2018 durchgeführten Stadtcheck«.

Wieso fehlt dann der verwendete Fragebogen? Wieso fehlen die Freitextantworten der Bürger? Wieso fehlt das Ergebnisdokument, in dem es heißt: »Das zentrale Zukunftsthema für Reinbek sehen die Bewohnerinnen und Bewohner in dem Bezug der Stadt zum Grünen. Sowohl die Einbettung der Stadtteile in die Natur als auch die innerstädtischen Grünräume sind für die Reinbekerinnen und Reinbeker wesentlich für die Lebensqualität und Identität ihrer Stadt. Diese zentrale Rolle soll dem Grünen in Reinbek auch in Zukunft zukommen«.

Wieso setzt sich die Stadtverwaltung dem Verdacht aus, wissentlich Intransparenz zu schaffen?

Es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, weitere Argumente aus dem »Debattenbeitrag« aufzugreifen. Frau Pfeiffers Berufung auf die Demokratie ist aller Ehren wert. Zur Demokratie gehört aber auch, dass die Reinbeker:innen sich bei den nächsten Wahlen erinnern, was sie im »Stadtcheck« der Politik mit auf den Weg gaben: »Eine Mehrheit der Befragten lehnt ein Zusammenwachsen der Ortsteile strikt ab«.

Prof. Dr. Christian Warneke